Zwei der gesellschaftspolitisch wichtigen Ziele von Schwarz-Blau sind die "Umfärbung" und die "Ökonomisierung". Ersteres ist weit gehend abgeschlossen, weil den Freiheitlichen langsam die (halbwegs fähigen) Leute ausgehen. Der zweite Prozess ist voll im Gang. Zum Beispiel im Gesundheitswesen, wo sich maßgebliche Kräfte eine "Konzernstruktur" vorstellen können.

Die bisherige, auf die Sozialpartnerschaft bauende Struktur würde abgelöst durch eine Unternehmensstruktur, die klarerweise auf Gewinn gerichtet ist. Nichts gegen Profit und alles für betriebswirtschaftlich innovative Reformen. Aber wie soll ein "privatisiertes" Sozial- und Gesundheitssystem funktionieren, das nach wie vor den jeweiligen Regierungen gehorcht?

Immer wieder werden Ordensspitäler als leuchtende Vorbilder und Beispiele an Effizienz bezeichnet. Ganz abgesehen vom Faktum, dass viele über extrem teure intensivmedizinische Einrichtungen gar nicht verfügen, bleibt ein markanter Punkt unerwähnt. Sie haben eine moralische und berufsethische Verfassung, die selbst das Führungsdenken nie in die Nähe einer kommerziellen Philosophie bringt.

Die Gefahr einer völligen Ökonomisierung des Gesundheitswesens liegt auf der Hand. Wer schnell und viel bezahlt, erhält seine Hüftoperation hier und jetzt, wer nur über eine Grundversicherung verfügt, kommt erst in einem Jahr auf den Tisch.

Außer man stellt sich überhaupt für eine Fernsehoperation zur Verfügung, die in Vorlesungen einer Privatuniversität übertragen wird. Das ist dann kostenlos. Führt aber direkt in eine neue Form von Reality-TV. Mit einem Teil der Tantiemen könnte man dereinst das System finanzieren.

Schöne neue Welt. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.9.2004)