Bregenz – Mit den Missbrauchsvorwürfen gegen Fernsehkaplan August Paterno hat sich Michael Chmela, Obmann des Vereins Omnibus, wenig Freunde gemacht. Anonyme Briefeschreiber drohen mit "Vendetta" (Blutrache), Anruferinnen raten, Unterlagen "an einen sicheren Ort zu bringen". Mit Drohungen kann der 46-jährigen Leiter der Beratungsstelle "Gleiche beraten Gleiche" umgehen, was ihn aber trifft, sind Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. "Mir geht es nicht um PR für unsere Arbeit. Ich will das Schweigen brechen, um Heilung zu ermöglichen", begründet Michael Chmela den Gang an die Öffentlichkeit.

Chmela berät Menschen mit Psychiatrie- und/oder Psychoseerfahrungen. Immer wieder wird er mit Missbrauchserfahrungen von Frauen und Männern konfrontiert. "Da kommen Menschen, die sind 50 Jahre und älter, ihr ganzes Lebens ist durch schreckliche Kindheitserlebnisse geprägt." Sexuelle Ausbeutung passiere in der Kirche, an Schulen, beim Militär, aber auch in Krankenhäusern. Chmela: "Missbrauch ist nicht nur ein individuelles, sondern ein strukturelles Problem." Schweigen sei vor allem in Vorarlberg eine übliche gesellschaftliche Reaktion auf Missbrauch. "Ich hab den Schritt in die Medien gemacht, damit Menschen den Mut finden, endlich zu sprechen und Hilfe zu suchen."

Eigene Biografie

Grundlage für seine Arbeit ist die eigene Biografie. Chmela musste sein Medizinstudium aus gesundheitlichen Gründen abbrechen, statt der Arzt- machte er eine Patientenkarriere in der Psychiatrie. Weil "nur selbst Betroffene wirklich wissen, welche Bedürfnisse Betroffene haben", gründete Chmela den Verein Omnibus als Interessensvertretung. Unterstützt wird der Verein und die Beratungsstelle vom Bundessozialamt. Regionalstellenleiter Peter Amann: "Wir wissen, dass psychische Erkrankungen stark zunehmen. Deshalb sind niederschwellige Einrichtungen wie ,Gleiche beraten Gleiche‘ sehr wichtig."

Ziel des Vereins ist, Menschen mit Psychiatrieerfahrung wieder Mut zur Eigenverantwortung zu geben. Für Albert Lingg, Primar am Landeskrankenhaus Valduna, ist der in Österreich einzigartige Verein, "seit Jahren eine wichtige Ergänzung". Den Vereinsinitiator Chmela bezeichnet der Psychiater als "kämpferisch, sachlich und kooperativ". Über die niederschwellige Einrichtung würde Menschen die Scheu vor Fachleuten genommen. Über die Methode "Trialog", das Dreiergespräch zwischen Betroffenen, Angehörigen und Profis, lernten Ärzte "oft mehr als bei jedem Fachkongress". (jub, Der Standard, Printausgabe, 14.09.2004)