Wien - Oh ja: Dieser Rigoletto am Dienstag in der Staatsoper war schön. Eine solide Repertoirevorstellung am ersten Haus des Landes.

Obwohl sie auch wieder die Schwächen des Repertoiresystems offenbarte: Denn wer den musikalischen Leiter des Abends, Kirill Petrenko, im Sommer beim Klangbogen Wien Smetanas Dalibor in Kooperation mit dem RSO Wien interpretieren gehört hatte, der wusste, was der junge Generalmusikdirektor der Komischen Oper Berlin eigentlich zu leisten imstande wäre: ziemlich Außerordentliches nämlich.

Ein Orchester motivieren bis zum letzten Pult, zum Beispiel, und dabei einen plastischen, differenzierten, vielfarbigen, lebendigen Orchesterklang herbeizaubern auch noch. Wobei mit "herbeiproben" eigentlich das präzisere Verb gewählt wäre.

Homöopathie

Nur leider gibt's im Repertoirebetrieb Proben lediglich in homöopathischer Dosis, und so musste man die Orchesterleistung beim dritten Rigoletto der Saison lediglich mit dem Prädikat "solide" etikettieren: 08/15-Delikatesse im Leisen gab's, wie auch abgehalfterte Emphase im Lauten, um's eine Spur ausführlicher auszuführen.

Die Sänger? Ziemlich bis sehr gut. Anthony Michaels-Moore war ein kraftvoller, böser, irrer, leuchtender, verzweifelter Titelheld - darstellerisch mit Abstand die entflammendste der drei großen Partien, im Vokalen vor allem mit Power punktend.

Schöne und Biest

Er war der Hässliche, der Outcast, das Biest, der die Schöne und Reine, Töchterchen Gilda also, mit allen Kräften zu beschützen suchte und sie letzlich doch verlieren sollte (Stefania Bonfadelli: stimmlich so tadellos wie Michaels-Moore darstellerisch).

Joseph Calleja wiederum debütierte als Herzog von Mantua souverän; sein Stimmcharakter ist als eigen und doch bezirzend zu bezeichnen: mit carusoeskem Sound, uniformer, leicht pressender Linienführung, aber auch strahlend, schwindel-und krächzfrei auch in den höchsten Lagen. Den Womanizer nahm ihm aber wahrscheinlich auch Hausherr Ioan Holender, der das Treiben von der Direktionsloge aus scharf, also brillenverstärkt, beobachtete, nicht ganz ab.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.9.2004)