Es war die wohl älteste Peep-Show von Wien, die Elfriede Jelineks "Klavierspielerin" am Wiener Gürtel besuchte. Roman David-Freihsl besuchten das Szene-Lokal, das sich neuerdings in genau demselben Stadtbahnbogen befindet.

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Wien - Vom Prinzip her hat sich hier nicht viel verändert. Menschen kommen nach wie vor zum Gürtel, um sich zu präsentieren und darzubieten oder selbst zu gaffen. Ausgegeben wird vermutlich ähnlich viel wie vorher - nur wird für etwas anderes gezahlt. Nämlich für die Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeiten und nicht für deren Abgabe. Und der Serviettenverbrauch hat sich deutlich reduziert.

Die Schickheit des "Babu"

Gleichzeitig aber ist es an diesem Gürteleck jetzt vollkommen anders, als es Elfriede Jelinek noch in ihrer "Klavierspielerin" beschrieb. Obwohl neuerdings riesige rote Lampions für jede Menge Rotlicht sorgen - jetzt wird die Schickheit des "Babu" in großzügigen Auslagen der Straße dargeboten, wo früher hinter Verschlägen heimlich die sich räkelnden Nackerbatzeln angespechtelt wurden.

Es war vermutlich die älteste Peepshow von Wien, die sich genau hier an der Kreuzung von Gürtel und Nußdorfer Straße befand. "Ja, ja, genau da drin' war es. Da drin' im Babu", bestätigt ein schon leicht Gespiegelter am Würstelstand. Ob er einmal hineingegangen sei? "Nein!" Ehrlich? "Na, na, da bin i nie eine." Denn drinnen will niemand gewesen sein. "Schad', da wollt' ich immer schon rein", heißt es jetzt höchstens.

Peep-Show und darüber braust die Bahn

Nur einen Bericht gibt es davon, wie es innen seinerzeit zuging. Den von Jelinek. "Ein Bogen unter der Stadtbahn, in den eine Peep-Show hineingebaut ist. In eins der Viaduktgewölbe, über das die Bahn hinwegbraust. Säuberlich wurde jeder noch so kleine Raum dafür ausgenutzt, kein Fleck ist verlorengegangen . . . Aus Ziegeln erbaut, dieser Stadtbahnbogen . . . er ist ganz genau eingepasst, dieser kleine Laden, in dem sich die nackten Frauen strecken und rekeln."

Dort hinein geht sie also, die Pianistin und Klavierprofessorin Erika Kohut. "Erikas Täschchen, das sie zusätzlich zur Notenmappe trägt, wird von gesammelten Zehnschillingmünzen ausgebeutelt. So gut wie nie verirrt sich eine Frau hierher, aber Erika will ja immer eine Extrawurst haben. Sie ist eben so."

Für Einen essen und für Drei zahlen

Erika Kohut will allerdings nicht tätig werden, "sie will nur schauen. Sie will einfach still dasitzen und schauen. Zuschauen. Erika, die zuschaut ohne anzustreifen. Erika hat keine Empfindung und keine Gelegenheit, sich zu liebkosen."

Während die Männer rundum tätig sind: "Fleißig reibt und massiert die Masse ringsumher". Und: "Die eine Hand wirft, die andere pumpt die Manneskraft sinnlos zum Fenster hinaus. Der Mann isst zuhause für drei, und hier lässt er es einfach achtlos zu Boden klatschen."

Diese Zeiten sind an dieser Stelle des Gürtels wie weggeputzt. Jetzt kann man hierher in das Szenelokal kommen, für Einen essen und für Drei zahlen. Peep-Shows sind in Zeiten der Videokabinen längst passé. Und die schicken neuen Restaurants und Bars haben längst den Straßenstrich in die Seitengassen verdrängt. In die Felberstraße, Hütteldorfer Straße, Linzer Straße. Kein Wunder. Welcher Freier würde hier noch seine aufgegeilten Runden drehen, während seine Kinder sich vielleicht zur gleichen Zeit entspannt im Schanigarten zuprosten?