Wien/Moskau - Deutliche Kritik an den russischen Behörden im Zusammenhang mit der Informationspolitik während des Geiseldramas von Beslan übt der Medienbeauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Miklós Haraszti, in einem am Donnerstag in Wien veröffentlichten Bericht. Die Berichterstattung über die Ereignisse habe zwar gezeigt, dass Medienfreiheit in Russland existiere, zugleich sei es aber zu "bedenklichen Entwicklungen" im Verhältnis zwischen Regierung und Medien gekommen. Journalisten seien festgehalten und belästigt worden, wodurch man ihre Arbeit ernsthaft behindert habe.

Die russische Regierung habe nicht in angemessenem Zeitrahmen wahrheitsgetreue Informationen über die Zahl der Geiseln und der Terroristen, über die Identität der Terroristen und deren Forderungen geliefert, heißt es in dem Bericht weiter. Als Folge seien Journalisten in Beslan physisch attackiert worden, weil man ihnen Desinformation vorwarf.

Wörtlich stellt Haraszti fest: "Ein dreifaches Glaubwürdigkeitsloch entstand, zwischen der Regierung und den Medien, den Medien und den Bürgern, und zwischen der Regierung und den Bürgern. Das ist ein ernsthafter Rückschlag für eine Demokratie."

Die drei landesweit ausstrahlenden Fernsehsender als Hauptinformationsquellen hätten "keine genaue und aktuelle Information" geliefert. Printmedien und Internetzeitungen hätten die Informationslücke gefüllt, so gut sie konnten.

Kritik auch vom Welt-Zeitungsverband

Ähnliche Kritik übte am Donnerstag der in Paris ansässige Welt-Zeitungsverband (World Association of Newspapers/WAN) in einer Aussendung: Russlands Präsident Wladimir Putin wurde aufgefordert, "staatliche Einmischung in die Arbeit von Journalisten" im Gefolge des Geiseldramas "zu stoppen".

Unterdessen hat der Präsident des russischen Unterhauses (Duma), Boris Gryslow, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Geiseldrama angekündigt. (jk, AP, DER STANDARD, Printausgabe 17.9.2004)