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Bundeskanzler Gerhard Schröder (rechts), Pater Imre Kozma und Ungarns Premier Péter Medgyessy (links) vor Resten der Berliner Mauer.

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Es war eine herzliche Umarmung: Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und der ungarische Pater Imre Kozma lagen sich minutenlang in der Kirche der Heiligen Familie in den Armen. Hier, auf dem Gelände des Malteser-Hilfsdienstes, hatten im Sommer und Herbst 1989 insgesamt 48.600 DDR-Flüchtlinge Zuflucht gefunden.

"Herr Bundeskanzler, vor 15 Jahren ist hier ein Wunder passiert. Wir haben nur Menschen aufgenommen, aber im Hintergrund haben Politiker zusammengefunden", sagte der Pater.

"Sie haben aber Politik gemacht"

Schröder antwortete: "Sie wollten keine Politik machen, sie haben aber Politik gemacht." Und an den ungarischen Ministerpräsidenten Peter Medgyessy gerichtet, der 1989 Vizeregierungschef war, erklärte der deutsche Bundeskanzler: "Ungarn hat einen zentralen Beitrag zur Freiheit und Einheit Europas geleistet." Deutschland werde nie vergessen, wie Ungarn die Grenze zu Österreich für die insgesamt 145.000 DDR-Flüchtlinge geöffnet habe.

Schröder versprach Unterstützung

Schröder machte bei seinem Staatsbesuch in Ungarn aus Anlass des 15. Jahrestages deutlich, dass er diese Dankbarkeit auch praktisch versteht. Er versprach Unterstützung im Kleinen - Finanzhilfen für die Malteser in Ungarn - aber auch im Großen: Er wolle sich dafür einsetzen, dass Ungarn und die anderen neuen EU-Länder beträchtliche Hilfen aus Brüssel bekämen und forderte Solidarität von den bisherigen Hilfsempfängern wie Spanien ein. Schröder machte deutlich wie nie zuvor, dass er sich im Verteilungskampf um die EU-Finanzen auf die Seite Ungarns stellen werde.

Der ungarische Ministerpräsident griff in seiner Rede vor Wirtschaftsvertretern das Hilfsangebot auf. Er sagte, Ungarn beanspruche vier Prozent des EU-Kohäsionsfonds. Bei der kommenden Finanzplanung 2007 bis 2013 müssten sich die Finanzzusagen bemerkbar machen: "Die EU muss berücksichtigen, dass die Neuankömmlinge einen Platz an der Sonne finden."

Besuch in Österreich geplant

Auch Medgyessy appellierte an die Solidarität jener EU-Länder, die bisher Empfänger von Finanzhilfen aus Brüssel waren. Gleichzeitig betonte er: "Die Lage der Nettozahler soll sich dadurch nicht ändern." Dies hörte Schröder gerne, der sich vor drei Wochen in Berlin mit dem Vertreter eines weiteren EU-Nettozahlers, Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, getroffen hat, um zu erörtern, wie die von Brüssel geforderten höheren Überweisungen abgewehrt werden könnten. Diesem Mittagessen in Berlin soll ein Treffen in Wien folgen. Schröder und mehrere Minister wollen das Neujahrskonzert besuchen. Dabei sollen die Sanktionsdissonanzen beendet werden. (DER STANDARD, Printausgabe 17.9.2004)