Bild nicht mehr verfügbar.

"Unbeugsam und unbestechlich": Heinz Fiedler über Heinz Fiedler.

Foto: APA/Schlager
STANDARD : Haben Sie in der ersten Halbzeit des ORF-Managements eine Strategie erkannt?

Fiedler: Eine medienpolitische Strategie ja, eine programmpolitische weniger. STANDARD: Medienpolitisch im Sinne von Schwarzfunk?

Fiedler: Nein, natürlich nicht! Sondern eine Strategie, den Bestand des ORF zu sichern und weitere existenzielle Verschlechterungen abzuwehren. Nicht immer ist das gelungen, wie die demonstrativ schikanöse Kontrolle der Werberegulative durch die Medienbehörde zeigt. Frei nach Parkinsons Gesetz muss jede Behörde ihre Existenzberechtigung permanent beweisen - deshalb die Anzeigen schon nach dem ersten Monat Überwachung - und sucht sich ständig neue Aufgaben und Mitarbeiter.

STANDARD: Das Prinzip klingt stark nach dem ORF.

Fiedler: Der ORF ist keine Verwaltungsorganisation, wir produzieren ein hervorragendes Produkt. Und zwar immer mehr davon mit immer geringerem Verwaltungs- und Personalaufwand. STANDARD: Laut McKinsey können 27 Millionen und 270 Leute eingespart werden.

Fiedler: McKinsey selbst erklärt, hier nur ein geringes Sparpotenzial gefunden zu haben. Ich sage, sie haben praktisch keines entdeckt, müssen aus dem Selbstverständnis eines Beratungsunternehmens aber zwangsläufig Erfolge vorweisen können und haben Hausnummern präsentiert, die zum Großteil unrealisierbar sind. STANDARD: Müssen Sie als Betriebsratschef nicht reflexartig jede Einsparung ablehnen?

Fiedler: So billig lasse ich mich nicht ins Betonierer-Eck stellen. Natürlich verhandelt der Zentralbetriebsrat über Sparmaßnahmen, die von der Geschäftsführung kommen. Er hat dies auch in der Vergangenheit gemacht - mit Erfolg für das Unternehmen. So aber versteckt sich der Kaufmännische Direktor hinter den Vorschlägen von erschreckend unkundigen Kopfjägern und versucht, seine Hände in Unschuld zu waschen. STANDARD: Angeblich riet das Management, die Hauptabteilung Sicherheit nicht näher zu prüfen, die Sie leiten.

Fiedler: Abgesehen vom bemerkenswerten Bosheitsfaktor: McKinsey hat geprüft - ohne mit mir zu reden - und vorgeschlagen, die Abteilung auszulagern. Dann würden Angestellte eines Bewachungsunternehmens den ORF etwa in nationalen Krisenstäben vertreten und Alarmpläne für den Katastrophenfall ausarbeiten? Das kann doch kein verantwortungsvoller Umgang mit einem im Krisenfall besonders gefährdeten Unternehmen wie dem ORF sein. STANDARD: Laut McKinsey zahlt der ORF Mitarbeitern "in einzelnen Bereichen das Doppelte des deutschen Marktes".

Fiedler: Von diesem Schwachsinn habe ich erst durch Pressemeldungen erfahren. Alle Untersuchungen, die der ORF erlebt hat, erbrachten glänzende Ergebnisse für unser Haus, zuletzt im Vergleich mit dem Bayrischen Rundfunk. STANDARD: Erst werden 1250 freie Mitarbeiter angestellt, nun 200 Jobs gestrichen.

Fiedler: Geschäftsführung und Zentralbetriebsrat ist gemeinsam gelungen, eine jahrzehntelange arbeitsrechtliche Fehlentwicklung zu sanieren. Derzeit verhandeln wir über die KV-Anstellung von vierhundert dauerhaft angemieteten Kräften vor allem in Technik und Administration.

STANDARD: Die Begeisterung der neu Angestellten hält sich in Grenzen.

Fiedler: Grenzen, die durch budgetäre Zwänge nur geringfügig ausgedehnt werden konnten. Das Projekt wird schon deswegen schlechtgeredet, weil dieser Erfolg mir zugeschrieben wird. Zweitens mussten zu allen Zeiten gut verdienende freie Mitarbeiter Haare lassen, wenn sie angestellt wurden. Drittens wurde dieses unglaubliche Vorhaben nur leistbar, weil viele Mitarbeiter Teilzeitjobs erhielten. Und viertens: Einen wirklich gültigen Vergleich werden auch die Mitarbeiter erst nach Ablauf eines vollen Jahres im KV ziehen können. Dass das damit verbundene derzeitige System flexiblerer Arbeitszeiten verbesserungswürdig ist, gilt schon jetzt als sicher. STANDARD: Anlass für dieses Interview ist Ihre Klage gegen den Standard. Wir haben darüber berichtet, dass Ihre Zustimmung zum Kollektivvertrag und der damit verbundenen Trennung von freien Mitarbeitern in Verbindung mit dem Engagement Ihres Sohnes als ORF-Büroleiter in Berlin gebracht wird. Wir einigten uns auf einen Vergleich, wonach wir hier noch einmal klar machen, dass wir uns mit den Vorwürfen nicht identifizieren und mit ihnen nur illustrieren wollten, wie tief die Hackeln auf dem Küniglberg fliegen.

Fiedler: Mich hat diese miese Art der Sippenhaftlerei oder auch des Politrassismus sehr getroffen. Wer mich kennt, weiß, dass ich unbeugsam und unbestechlich bin. Zudem ist es inhaltlich absurd: Ich war zwar Motor und Verhandlungsführer, aber nur aufgrund von Beschlüssen aller elf Zentralbetriebsräte und in Abstimmung mit anderen Personalvertretern. Und über die Leistung meines Sohnes soll das Publikum entscheiden. Dass der Standard 4000 Euro an "Licht ins Dunkel" zahlen muss, ist für mich das Schönste an dem Vergleich. STANDARD: Für uns auch. 2006 wäre für Sie das Schönste, würde ORF-Chefin Monika Lindner wiedergewählt, aber ohne dieses Management. Das Team hat sie doch selbst ausgesucht.

Fiedler: Die Meinungsbildung bei ihrer Zusammenstellung des Teams war nicht nur autonom. Und niemand ist frei von Irrtum. Ich wünsche der Frau Generaldirektor jedenfalls, dass sie in ihrer zweiten Amtszeit mit einem deutlich anders zusammengesetzten Team arbeiten wird. Dem ORF wünsche ich das auch. STANDARD: Besonders schätzen Sie Finanzdirektor Wrabetz ...

Fiedler: Er ist für meinen Geschmack zu sehr in der Rolle des Vertrauensmannes der SPÖ stecken geblieben, anstatt zum in der Wolle gefärbten ORFler zu avancieren. Hinter dem smarten Managerlook ist er der Parteibuchträger alten Zuschnitts. Von einem richtigen Kaufmännischen Direktor des ORF hätte ich erwartet, dass er Sparpotenziale nicht von x-beliebigen im Durchleuchten von Schraubenfabriken oder von mir aus auch von Filmabspielsendern erfahrenen Mietkräften suchen lässt. Er hätte vielmehr den gemeinsamen Weg von Geschäftsführung und Personalvertretung im ORF wählen sollen. Dort wäre er auf zum Teil jahrzehntelange Erfahrung und ORF- Bewusstsein gestoßen - und sicherlich auf intelligentere Sparlösungen als Köpfezählen und Rausschmeißen.

STANDARD: Wie lange bleiben Sie - nun 62 - noch ORFler?

Fiedler: Ich wurde heuer für weitere vier Jahre zum Zentralbetriebsratsobmann gewählt, bin erkennbar lebfrisch und bemühe mich, meine Aufgabe jedenfalls über diese vier Jahre weiter zu erfüllen. (DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.9.2004)