Die Rolle der Medien
Organisator Konrad Paul Liessmann lud gleich zu einem seiner erstaunlichen Parforceritten ein. Er begann mit Nietzsches Verteidigung von Lug und Trug als zum Überleben notwendigen Fähigkeiten, sprang zurück zu Sokrates, der schon den listig täuschenden Odysseus höher eingeschätzt hatte als Achilles, der "bloß wahrhaft" gewesen sei. Mit Augustin brachte Liessmann das Moment der Wahrhaftigkeit ins Spiel, mit Kant das der Notlüge (Kant war dagegen), mit Schopenhauer die Motivation ("dem anderen den eigenen Willen einreden - die feinste Form der Lüge"). Das Panorama endete im Irak und der Rolle der Medien. Diese brachte auch Landeshauptmann Herbert Sausgruber in seiner Eröffnungsrede ins Spiel: "Berichten sie vollständig (das können wir hier nicht und verweisen auf den Philosophicum-Band im Frühjahr) oder verfälschen sie (das wollen wir doch nicht hoffen)?"
Simone Dietz (Düsseldorf) erörterte die moralische Dimension der Diskussionstopoi mitsamt der Grauzone von Täuschung, Floskeln, Heuchelei und dergleichen. Sie untersuchte mögliche Argumente, die a priori nicht verwerfliche Lüge - "eine verdeckt unwahrhaftige Behauptung, die bestimmten weiter reichenden Absichten dient" - abzulehnen. Vertrauen und Wahrheit liegen ihr zufolge nahe, reichen aber bei genauem Blick per se nicht aus. Sehr wohl aber die Kategorie der Freiheit. Die Lüge sei, verkürzt ausgedrückt, ein Angriff auf die Freiheit des Belogenen.
Sepp Mitterer (Klagenfurt) führte buchstäblich en passant (er ging mit Drahtlosmikro auf der Bühne spazieren) eine furiose Dekonstruktion wissenschaftlicher Gewissheiten vor. Wie wir per Zufall in einer philosophischen oder naturwissenschaftlichen, allein selig machenden Lehre landen können, das klingt wie Paul Feyerabend im Kabarett und dürfte sich wohl auch so abspielen. Irrtümer erkennen wir erst, wenn wir schon woanders sind, in den Irrtümern von morgen. Schon in der Schule lernen wir, was wahr und was falsch ist, immerhin noch von einer erkennbaren Instanz. Die Instanzen im Wissenschaftsbetrieb aber sind nicht zu erkennen, oder sie sind im Streit miteinander und daher keine mehr.
Dem Symposium vorgeschaltet war das Siemens-Impulsforum "Mit der Wahrheit zum Erfolg?" Ministerin Gehrer sprach davon, sich in Artikeln von "Journalisten, die Politik machen", nicht wieder zu erkennen. Gudrun Harrer, Außenpolitikleiterin des STANDARD, verwies auf die zumindest kurzfristig erfolgreichen Desinformationsmanöver der US-Regierung im Irak und im Wahlkampf.