Wie nemman' denn? - Die Funktion der Literatur aus der Perspektive der Politik betrachtet.

Foto aus: "Hallo Dienstmann" mit Hans Moser
Klar, Koffer klingt beweglicher als Kanon. Aber Korb klingt auch nicht schlecht, und einen solchen voll lauter Sprachfackeln hat Karl Kraus genau vor 70 Jahren hinterlassen. Damals - im Sommer 1934 - ließ er durch seinen Verlag der Welt mitteilen, "warum die Fackel nicht erscheint" und warum er jetzt nach dem endgültigen Untergang der Menschheit nur noch "im Spiegel der Sprache" fechten werde. Und jetzt die Austrokoffer-Verweigerer . . . Natürlich, die österreichische Politik ist sehr schwer verständlich, und man wird ein Einsehen haben, dass sie darum Hilfe sucht. Sogar dass sie diese bei der Literatur erhofft, findet eine Erklärung. Auch das hat ihr nämlich die SPÖ vorgemacht. Die SPÖ, die zwar noch nie ein echtes Verhältnis zur Poesie hatte, konnte ihre innere Blöße doch stets mit dem großmächtigen avantgardistischen Ansehen, das die heimische Kunst und Literatur im Ausland genoss, bedecken.

Gewiss läge der ÖVP samt Herrn Schüssel von Hause aus eine Imageverbesserung durch den populären Sport näher als alle geistigen Kreditvorhaben. Doch im Sport ist man ja wie in der Politik nur sehr klein und eben keine Großmacht. Kurz: Die Kofferidee war ein Anbiederungsversuch an die Kultur im Namen einer Ausverkaufsidee. Schluss mit dem alten Austria, Anschluss endlich ans globale Marketing. Doch hat man darüber total vergessen, dass diesem Austrokoffer noch ein ganz anderer im Wege steht an der Güterabfertigung zur Zukunft. Nämlich der Fackel-Kraus, wie gesagt. Er veröffentlichte statt des geforderten Kampf-Koffereinsatzes gegen die Barbarei, den er doch seinen Verehrern schuldig sei, hämische Nachrufe, welche die Wortkämpfer der "Wahrheit" auf ihn verfassten. "Der satirische Sachverständige" (Berthold Viertel) trennte sich angesichts des "Unbeschreiblichen" fluchtartig von aller Politik, um die Untergründe genauer in den Blick zu nehmen, aus denen der Wahnsinn daherkam. Der Wahnsinn, "der in triumphaler Ahnungslosigkeit die Form vollendet".

Er gab den Wettlauf der Satire mit der Welt verloren, da "Rechts und Links sich nicht mehr sondern." Er schwieg, "als jene Welt erwachte". Und sein Schweigen wird heute, nach 70 Jahren, wieder aktuell, da sich der Wort-Kunst neue Kofferträger nahen. Freilich nicht mehr im Kostüm des Cheruskertums, sondern eher mit grellen Koofmich-Glatzen.

Und sie wollen nichts Böses, sondern die Literatur "im Dienste des Kaufmanns" so sehr herzen , dass ihr die Luft wegbliebe, fügte sie sich der sonderbaren Begierde jener, die nicht lesen können. Realiter aber, also ganz anders als Musil, aus einer lausigen Winzigkeit von Politik einen großmächtigen Kulturelefanten machen wollen. Das wirkt weder flott noch erhaben, sondern nur wieder lächerlich. (DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.9.2004)