Die Amerikaner und Europäer sind sich in ihren Atomforderungen an den Iran einig geworden, die Blockfreien werden jedoch noch einen eigenen Entwurf einbringen. Am Samstag kommt es daher erstmals in der IAEO zu einer Kampfabstimmung - bisher waren alle Entscheidungen im Konsens getroffen worden. In Teheran behauptet man, die Welt wolle den Iran am wissenschaftlichen Fortschritt hindern.

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Wien/Teheran - Im Streit um das iranische Atomprogramm haben sich die USA und Europa auf den Text einer Resolution der Internationalen Atombehörde IAEO geeinigt. Dennoch wurde am Freitag weiter um Maßnahmen gerungen, mit dem der Iran zur Offenlegung seiner Atompläne gezwungen werden soll. Denn den blockfreien Staaten ging der Text noch immer zu weit, sie wollten jede Ausweitung des Streits verhindern.

Daher kommt es in der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) erstmals zu einer Kampfabstimmung: Die Blockfreien werden einen eigenen Entwurf einbringen. Das teilte der iranische Chefdelegierte Hossein Mussawian am Freitagabend mit. Bisher wurden alle Entscheidungen der 35 Mitglieder zählenden IAEO im Konsens getroffen.

Zwar wird eine Mehrheit für den von den USA und der EU, Kanada und Australien unterstützten Entwurf erwartet. Der Vorgang zeigt aber nach Einschätzung von Beobachtern in Wien tief greifende Differenzen zwischen den westlichen und blockfreien Ländern, zu denen auch China gehört. Die Anreicherung von Uran kann sowohl für zivile Zwecke als auch für den Bau von Atomwaffen genutzt werden.

Langwierige Verhandlungen

Auch der amerikanisch-europäische Resolutionsentwurf kam erst nach langwierigen Verhandlungen zu Stande. Wie aus diplomatischen Kreisen verlautete, wurde der Entwurf am Freitagabend dem IAEO-Gouverneursrat zur weiteren Beratung vorgelegt. Der nimmt am (morgigen) Samstag wieder seine Beratungen auf.

USA setzte sich nicht durch

Die USA hatten sich bei den Verhandlungen nicht mit ihrem harten Kurs gegen Teheran durchgesetzt. Der Resolutionsentwurf, der der Nachrichtenagentur AP vorliegt, verlangt einerseits, dass der Iran sämtliche Aktivitäten zur Anreicherung von Uran aufgibt. Andererseits erkennt er das Recht aller Länder auf die friedliche Nutzung der Atomenergie an, wie aus diplomatischen Kreisen am Sitz der IAEO in Wien verlautete.

Taktischer Trick

Die Gegner des US-europäischen Resolutionsentwurfes stoßen sich vor allem an der Frist bis Ende November, die von Teheran als Ultimatum aufgefasst würde. Zudem räumen einige Mitgliedsländer des IAEO-Führungsgremiums dem Iran das Recht ein, Uran zur Stromherstellung anzureichern. Hochangereichertes Uran wird auch für den Bau von Atomwaffen benötigt.

Die USA haben zudem die Ankündigung des Irans, möglicherweise auf die Wiederaufnahme der Urananreicherung zu verzichten, als taktischen Trick abgetan. "Das ist so durchsichtig, dass ich nicht glaube, dass irgendjemand darauf hereinfällt", so US-Staatssekretär John Bolton am Freitag in Wien.

"Wir sind nun Mitglied im Atomklub, und die Entscheidung der IAEO und des Gouverneursrats ist für uns nicht so entscheidend wichtig, als dass wir uns darüber Sorgen machen müssten", hatte die konservative Zeitung Jomhouri Islami schon am Donnerstag in einem Leitartikel geschrieben, nachdem bekannt wurde, dass dem Iran eine Frist bis November eingeräumt wird, um alle Unklarheiten auszuräumen und die Urananreicherung einzustellen. Man wolle den Iran "nur daran hindern, im Atomenergiebereich wissenschaftliche Fortschritte zu erzielen", meint Joumhouri Islami weiter.

Diese Auffassung spiegelt sich in allen staatlichen Medien wider. Kritik an der Position der Europäer übte auch Expräsident Hashemi Rafsandjani. Man hatte in Teheran mit mehr Entgegenkommen gerechnet und darauf spekuliert, dass die Europäer die harte Position der USA abmildern würden. (dpa, logh/DER STANDARD, Printausgabe, 18.9.2004)