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Vier Winter Verfall und dann nach Originalplänen rekonstruiert: die im pseudo- maurischen Stil gehaltene Nationalbibliothek von Sarajewo.

Foto: Reuters/ Danilo Krstanovic
Die Österreichische Ostzusammenarbeit setzt in Bosnien auf Versöhnung durch Wirtschaftsaufschwung. Aber auch Symbole wie die zerschossene Nationalbibliothek in Sarajewo werden restauriert.

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Das erst nach dem Zweiten Weltkrieg zur Nationalbibliothek umgewandelte Rathaus (Vijecnica) am Ufer der Miljacka war von Beginn an mehr als nur eine architektonische Glanzleistung: Von den örtlichen Statthaltern der österreichischen königlich-kaiserlichen Monarchie 1896 eingeweiht, diente das bewusst im pseudomaurischen Stil gehaltene Gebäude nicht zuletzt der Aussöhnung mit den knapp zwei Jahrzehnte zuvor auf dem Berliner Kongress entmachteten osmanischen Verwaltern Bosnien-Herzegowinas - ein ausgeklügelter Schachzug habsburgischer Herrschaftskunst.

"Tötet die Bastarde"

Doch ein Jahrhundert später, im August 1992, ging das Symbol kultureller Vielfalt gemeinsam mit mehr als anderthalb Millionen Büchern, Landkarten und Dissertationen in Flammen auf - nach dreitägigem Granatenbeschuss durch die bosnisch-serbischen Einheiten der selbst ernannten Republika Srpska.

Deren damaliger Präsident, der heute vom UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagte und gesuchte Dichter und Psychiater Radovan Karadzic, hatte schon in den Siebzigerjahren in einem Gedicht postuliert, dass man "die Städte vernichten" und "die Bastarde töten" müsse.

Wiederaufbau

Als die Österreichische Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit (OEZA) nach Kriegsende 1995 ins Land kam, um sich am Wiederaufbau des zerstörten Drei-Millionen-Einwohner-Landes zu beteiligen, lag es nahe, beim Erhalt der nach vier schweren Wintern kurz vor dem Einsturz stehenden Nationalbibliothek mitzuhelfen. Kernanliegen der im Außenministerium angesiedelten OEZA war nach Ministeriumsauskunft "von Beginn an der Wiederaufbau der multiethnischen Gesellschaft Bosniens und Herzegowinas". Neun Jahre später schützt das nach Originalplänen rekonstruierte Glasdach den lichtdurchfluteten Innenraum, sodass inzwischen wieder Ausstellungen gezeigt werden können.

Schwerpunkte änderten sich

Mit den Fortschritten bei der Wiederherstellung der zerstörten Infrastruktur - allein von österreichischer Seite flossen zwischen 1996 und 2000 mehr als 36 Millionen Euro ins Land - und der Rückkehr Hunderttausender Flüchtlinge, änderten sich jedoch auch die Schwerpunkte der Förderung, wie Michael Weiner, Koordinator für Entwicklungszusammenarbeit an der österreichischen Botschaft, erklärt: "Der Schlüssel für weitere Fortschritte Bosniens liegt in der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes." Schließlich sei der Nationalismus ein "direktes Produkt der sozialen Verhältnisse".

Lokale Kooperation

Von dieser These geleitet ist auch die Auswahl der Projekte, die Weiners eng mit lokalen Kräften zusammenarbeitendes Team vor allem in Regionen Nord- und Zentralbosniens betreut. Dabei stehen die Förderung kleiner und mittlerer Betriebe, von Initiativen im Umweltbereich und die Unterstützung der Universitäten ganz oben auf der Agenda.

So konnte die OEZA in den vergangenen Jahren zum wichtigsten Finanzier höherer Bildungseinrichtungen avancieren - und durch ihre eng an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes orientierten Förderung darüber hinaus einen entscheidenden Beitrag zur Modernisierung des maroden Universitätswesens in Bosnien-Herzegowina leisten. Bestes Beispiel dafür ist das Business Start-Up Centre an der Universität Tuzla, das Graduierten in praxisbezogenen Übungen die über das theoretische Fachwissen hinaus gehenden "Soft Skills" zum Aufbau eigener Unternehmen vermitteln will.

"Versöhnung braucht Zeit"

Andererseits: "Versöhnung braucht Zeit", sagt OEZA-Koordinator Weiner, der wenig davon hält, die während des Krieges verfeindeten muslimischen, kroatischen und serbischen Bevölkerungsgruppen quasi per Dekret von oben zum friedlichen Zusammenleben zu bewegen: "In dem Maße, in dem die Leute wieder ein normales und planbares Leben mit sicherem Job und Einkommen führen können, wird der politische Extremismus automatisch an Bedeutung verlieren."

Auch für Österreichs Botschafter, Gerhard Jandl, der die erst 1992 in die Unabhängigkeit entlassene frühere jugoslawische Teilrepublik länger als jeder andere in Sarajewo stationierte Diplomat kennt, und der demnächst die österreichische Vertretung in Belgrad übernimmt, sind "der Aufbau eines funktionierenden Staatswesens und einer pluralistischen, offenen Zivilgesellschaft" die entscheidenden Kriterien, "um in Fragen der Versöhnung Fortschritte erzielen zu können".

Gleichberechtigung

Schließlich, so Botschafter Gerhard Jandl zum STANDARD, gehe es, "mittelfristig darum, Bosnien nicht als Empfänger von Hilfe, sondern als gleichberechtigtes Partnerland zu behandeln". (DER STANDARD, Printausgabe 18./19.9.2004)