Wien - Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat seine Meinung geändert. Noch vor wenigen Tagen wehrte er Journalistenfragen nach einem früheren Wahltermin ab. Er sehe keinen Grund dafür und wenn, würde er ihn schon mitteilen.

Am Sonntag war es dann so weit - der Grund mit der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 gefunden. Das genüge zwar aus seiner Sicht nicht für eine Vorverlegung der für das Frühjahr angesetzten Landtags- und Gemeinderatswahlen, "aber es gibt ernst zu nehmende Leute, die darüber nachdenken", ob zur Zeit der Ratspräsidentschaft eine Wahl stattfinden solle, erklärte er im profil. Nicht zuletzt müsse man die Entwicklungen unter Schwarz-Blau und die derzeit stattfindenden Verhandlungen zum Finanzausgleich beobachten.

Spätestens mit dem Beginn der Feiern zu Michael Häupls 55. Geburtstag dieser Tage und seinem Jubiläum, zehn Jahre Bürgermeister von Wien zu sein, ist klar: Wahlkampf ist. Häupl hat schon nach dem "Pflegeskandal", der ein Jahr lang eine Untersuchungskommission beschäftigte, und vor dem Sommer sein Regierungsteam umgebildet, um jetzt im Herbst ohne belastende Skandale und neuem Team loslegen zu können.

Der Landesparteitag der mit absoluter Mandatsmehrheit regierenden Wiener SPÖ, der am Samstag im Messezentrum stattfand, bot dafür das geeignete Podium. Nicht nur Häupl, auch SP-Vorsitzender Alfred Gusenbauer, nutzte die Gelegenheit, auf die schwarz-blaue Regierung einzuprügeln. Beide hielten Schwarz-Blau die Pensionsreform vor, den "Neoliberalismuswahn" und Tendenzen der Globalisierung, die allesamt Arbeitsplätze vernichteten. Die Regierung verpulvere das Volksvermögen. "Das Volk will sie nicht mehr", setzte Bürgermeister Häupl an. "Abtreten" soll die Regierung sprach er lauter, "von mir aus mit Würde und Abstand, aber abtreten". Es war leicht, 995 Delegierten aus der Seele zu sprechen. Sie dankten mit lautem Händepaschen und Standing Ovations.

Festspiele auf heimatlichem Boden für Michael Häupl. Applaus für Alfred Gusenbauer und Beschwörung, dass nur er, er allein, Kanzlerkandidat der SPÖ sei. Häupl: "Der Bundesvorsitzende der SPÖ ist der Kanzlerkandidat der SPÖ und der nächste Kanzler - und aus!"

Der Kanzlerkandidat

Gusenbauer selbst hatte zuvor den Wiener Freunden Rosen gestreut und die Erfolge der SPÖ in den letzten Monaten beschworen. Die EU-Wahl zählt er dazu, die Wahl Gabi Burgstallers zur Landeshauptfrau in Salzburg und - leise Stimme, bevor sie kippt: "Wer kann sich nach wenigen Monaten einen anderen Bundespräsidenten vorstellen als Dr. Heinz Fischer?" Nun sei ein "Aufbruch und ein Kurswechsel" nötig, den nur die SPÖ leisten könne: "Wir sind startklar, Verantwortung für Österreich zu übernehmen."

Als Häupls wie Gusenbauers Hauptgegner entpuppte sich einmal mehr Finanzminister Karl-Heinz Grasser. (Peter Mayr, Andrea Waldbrunner/DER STANDARD, Printausgabe, 20.9.2004)