Rom - Der Ausgang der Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg und Sachsen wurde am Montag auch in der internationalen Presse kommentiert.

+ So schrieb die römische Zeitung "La Repubblica":

"Zwei Gespenster gehen im Herzen Europas um, die Geister der Neonazis und des stalinistischen Neokommunismus. Fast 15 Jahre nach dem Fall der "Mauer der Schande" gehen Gruppen der fremdenfeindlichen, antiwestlichen und antisemitischen Ultrarechten sowie die Erben der DDR-Diktatur siegreich aus zwei Landtagswahlen in Ostdeutschland hervor.

Nostalgiker der "beiden Hs", von Hitler und Honecker, gewinnen mit ganz ähnlichen Slogans: Nein zum Abbau und zu den Reformen des Sozialstaates, Nein zum Euro und zur NATO, Nein zum Europa der offenen Grenzen. Die extremen politischen Ränder lasten wie ein schmutziger Fleck auf dem internationalen Ansehen der deutschen Demokratie."

+ Die russische Tageszeitung "Kommersant" (Moskau) analysierte das Abschneiden der SPD :

"Die Ergebnisse in Brandenburg und Sachsen und die Niederlage der SPD sprechen eine deutliche Sprache. Die Reformen von Bundeskanzler Gerhard Schröder sind gescheitert. Dabei hatte Schröder seine Sozialreformen vor allem auf die Menschen in Ostdeutschland ausgerichtet.

Doch die Wähler in Brandenburg und Sachsen haben deutlich gemacht, dass sie nicht bis zum Jahr 2010 auf ein besseres Leben warten wollen. (...) Die erneute Niederlage bei Landtagswahlen könnte bedeuten, dass die SPD bei den nächsten Bundestagswahlen als Regierungspartei abgelöst wird."

+ Kommentar "Les Dernieres Nouvelles d'Alsace" (Straßburg):

Die Warnungen Gerhard Schröders vor dem 'braunen Schmutz' haben letztlich nichts genützt. Die Rechtsextremen werden tatsächlich (...) in die Landtage von Sachsen-Anhalt und Brandenburg einziehen (...). Die Extremisten, rechts wie links, und - wenn auch in geringerem Umfang - die Grünen und Liberalen profitieren vom Versagen der großen Parteien, die am Pranger sind - wegen ihrer Reformen und ihrer Unfähigkeit, den Erwartungen der Bürger gerecht zu werden. (...) Und die Neokommunisten nützen, 15 Jahre nach dem Fall der Mauer, 14 Jahre nach der Wiedervereinigung, das Gefühl der Ernüchterung vieler Ostdeutscher aus."

+ Der Zürcher "Tages-Anzeiger" meinte:

"Die Deutschen sind keine Nazis. Nach dem Wahlsonntag muss man das leider wieder ausdrücklich festhalten. Die stolzen Volksparteien wurden von den Wählern regelrecht gerupft. Nur die Hälfte der Wählenden gaben ihre Stimme der CDU oder SPD. Stattdessen wurde erstmals in Deutschland mit der DVU eine rechtsextreme Partei im Landtag bestätigt. Die NPD liegt in Sachsen fast gleichauf mit der SPD. (...) Vielmehr ist im Osten Deutschlands eine moderne, schlagkräftige Rechte herangewachsen, die gezielt daran arbeitet, die Zivilgesellschaft umzukrempeln (...)

NPD und DVU hatten mit "Schnauze voll"-Parolen erfolgreich auf dieses Potenzial gezielt. So bleibt nur die Hoffnung, dass das verheerende Resultat der SPD die Partei doch noch alarmieren könnte. Damit die demokratischen Parteien den Kampf gegen die Rechtsextremen endlich aufnehmen. Wegschauen ist kein Rezept."

+ Die römische Zeitung "Il Messaggero" schrieb:

"Jetzt beginnt Ostdeutschland Europa wieder Sorge zu bereiten. Bei den Rechtsextremen handelt es sich um finanziell gut ausgestattete Gruppen (das gilt vor allem für die DVU), die nun damit beginnen, nicht nur junge Glatzköpfe anzuziehen, sondern auch kleine Gewerbetreibende, Ärzte, Handwerker. Alles in allem, es geht hier nicht mehr nur um den Groll der "Ossis", die etwa durch die chronische Arbeitslosigkeit verärgert sind, einer Folge dieser mangelhaften Wiedervereinigung. Die Ultrarechte, ihre Auffassungen und ihre Werte, beginnen von einem Teil der Gesellschaft als "salonfähig" aufgefasst zu werden. (...)

Es ist richtig, besorgt zu sein, wie etwa der Vorsitzende des jüdischen Zentralrates, Paul Spiegel. Aber ohne dabei das Bild zu verzerren. Trotz der Nostalgiker der Braunhemden ist Deutschland ein normales Land."

+ Die linksliberale spanische Tageszeitung "El Pais" (Madrid) analysierte:

"Der Strom des Unbehagens in Deutschland ist bei den Wahlen in Brandenburg und Sachsen über die Ufer getreten. Besorgnis erregend ist vor allem der Aufstieg der NPD in Sachsen. Bei dieser Partei handelt es sich um eine ultrarechte, neonazistische und rassistische Organisation, die eine Revision der deutschen Grenzen verlangt.

Dass obendrein in Brandenburg die DVU Erfolge verbuchte, deutet auf eine gefährliche Radikalisierung der Politik in Deutschland hin. Auch die Gewinne der Ex-Kommunisten von der PDS müssen als Warnung verstanden werden. In Deutschland sind die Wunden der Teilung noch nicht verheilt. Dafür zahlen nicht allein die Deutschen, sondern auch die Bürger in ganz Europa."

+ Die niederländische sozialdemokratisch orientierte "Volkskrant" meinte:

"Den etwas verkrampften Reaktionen auf die Wahlergebnisse für die NPD in Sachsen und die DVU in Brandenburg kann man entnehmen, dass man in Deutschland noch immer keine guten Umgangsformen mit unerwünschten politischen Entwicklungen gefunden hat. Schon seit vierzig Jahren macht sich zu bestimmten Zeiten "Rechtsaußen" bemerkbar - vor allem außerhalb des parlamentarischen Systems, aber auch innerhalb. (...)

Und jetzt gilt die NPD, die im vorigen Jahr knapp dem Verbot entging, als größte Bedrohung der jungen deutschen Demokratie. Aber es gibt keine seriösen Versuche, dieses Phänomen zu analysieren. Man gibt sich mit einigen Beschwörungsformeln zufrieden. (...) Der Werdegang der PDS, die sich ebenso wenig auf eine demokratische Vergangenheit berufen kann und vor allem durch Proteststimmen gewachsen ist, macht deutlich, dass ein entspannterer Umgang mit den politischen Flanken befriedigendere Resultate bringt."

+ Die "Neue Zürcher Zeitung" schrieb unter anderem:

"Die Resultate der Landtagswahlen in den beiden ostdeutschen Bundesländern Brandenburg und Sachsen sind beileibe kein Ruhmesblatt. Weder für die Politiker, denen es einen neuen Rahmen zu setzen galt, noch - und dies vor allem - für die Wählenden. Man kann die Sache drehen, wie man will, man wird das Gefühl nicht los, dass hier die Demokratie mit einer reinen Protest-Plattform, einer Schimpfbude, verwechselt worden ist. (...)

Mag sein, dass es dem deutschen Osten ein wenig schlechter geht als dem Westen und dass in den neuen Ländern nach der Wiedervereinigung Fehler begangen worden sind. Aber sich immer nur mit hohler Bettelhand als Opfer der bösen Politik zu sehen und den Verstand im Trotz zu ertränken, führt nicht weiter. Man fühlt sich an Kennedys Wort erinnert, dass man sich nicht fragen solle, was das Land für einen tun könne, sondern was man selbst für das Land zu tun vermöge. Leider nur allzu wahr."

+ Die "Berner Zeitung" meinte:

"Die populistischen Parolen haben Früchte getragen. Sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg sind die Gewinner der Landtagswahlen am linken und rechten Parteienrand zu finden. Wochenlang haben die ultralinke PDS und die Rechtsextremen mit den gleichen Slogans Stimmung gemacht: Schluss mit der Reformpolitik der Bundesregierung, weg mit Hartz IV. In einer Zeit, wo sich seit der Wiedervereinigung noch nie so viele Ostdeutsche als Verlierer gesehen haben und laut Umfragen über 60 Prozent der Bevölkerung der Ansicht sind, es werde noch mehr als zehn Jahre dauern, bis ost- und westdeutsche Lebensbedingungen angeglichen seien, kommen solch simple Protestforderungen an. (...) Das wirft ein schlechtes Licht auf Ostdeutschland und wird nicht zuletzt internationale Investoren abschrecken - boomende Industriekerne und hohes Wirtschaftswachstum in Sachsen hin oder her." (APA/dpa/AFP)