Das hilft schon ein bisschen, auch wenn eine grundsätzliche Skepsis gegenüber dieser Regierung und dieser Partei keineswegs geschwunden ist. Aber man hat den Schluss gezogen, dass doch nicht‑ 27 Prozent der Wähler Nazis sind. Das waren sie nie, aber sie haben trotzdem FPÖ gewählt, weil sie diese Untertöne nicht interessierten oder störten. So ähnlich wie jetzt in Ostdeutschland Neonazi-Parteien gewählt werden, weil die Wähler das nicht interessiert oder nicht stört.
Diskurs
Haider müsste jetzt etwas einfallen
In Vorarlberg erlitt die FPÖ die nun schon gewohnte krachende Niederlage, so Hans Rauscher in seiner Kolumne
In Vorarlberg erlitt die
FPÖ die nun schon gewohnte krachende Niederlage. Bundesweit steht
die Partei, die bei den Wahlen 1999 noch 27 Prozent
erzielte und damit knapp
auf dem zweiten Platz lag,
in den Umfragen bei zehn
Prozent.
Was bedeutet das längerfristig für die österreichische politische Landschaft?
Zunächst eine leichte Entlastung unseres Außenbildes. Im Jahr 2000
kam eine 27-Prozent-Partei in die
Regierung, deren
De-facto-Führer
rechtslastige, NS-
verharmlosende
und antisemitische Untertöne
von sich gab und
sich damit eines
Sinnes mit der
Kern der Partei sein konnte.
2004 ist eine bestenfalls
Zehn-Prozent-Partei in der
Regierung, deren De-facto-
Führer und deren harter
Kern Rechtslastiges, NS-
Verharmlosendes und antisemitische Töne immer
noch im Repertoire haben,
aber viel seltener sagen.
Das Erfolgsgeheimnis der
Haider-FPÖ war die Kanalisierung des Protestes. Das
ist kein "Freispruch" für die
Haider-Wähler. Die demokratische Bedenklichkeit,
die ihn und seine Partei
umwehte, hat sie nicht interessiert oder gestört (einer
Minderheit hat sie sogar gefallen).
In der Regel können
Rechtspopulisten einfach
nicht regieren, das heißt,
sie haben nicht das Personal, die Erfahrung, die
Disziplin und generell die
Substanz, um auch nur das normale Regierungsgeschäft zu beherrschen, geschweige denn ihre absurden Versprechungen von
gestern erfüllen zu können.
An der Haider-FP ist das
alles wahr geworden. Ihre
Wähler rennen in Scharen
davon, weil sie an der Regierung ihre Versprechungen nicht halten kann und
rein personell ein trauriges
Schauspiel bietet. Ist damit
Wolfgang Schüssels angebliches Kalkül, die FPÖ
durch Einbindung zu dezimieren, aufgegangen? Nur
vordergründig.
Schüssel
wählte den Tabubruch mit
der Haider-FP,
weil die ÖVP
sonst nicht
Kanzlerpartei
geworden wäre. Alles andere war sozusagen Nebeneffekt. Aber der Architekt der
FPÖ-Zerbröselung ist Haider selbst. Der Regierungseintritt war für ihn und die
FPÖ ein Wechsel in der Natur der Partei. Wenn er sich
schon für den Regierungseintritt entschied, dann
hätte er mit aller Kraft dafür
sorgen müssen, dass das
nach innen wie nach außen
ein wirklicher Erfolg wird,
statt nur destruktiv zu sein.
Aber er kann nicht(s) ander(e)s. Daher ist die FPÖ
wieder dort, wo er sie übernommen hat. Haider müsste jetzt etwas einfallen, um
die Partei zu retten. Aber er
wird nächstes Jahr 55 und
hat sich selbst auch bei seinen Bierzeltanhängern beschädigt. Mit Saddam Hussein knapp vor dessen Ende
politisch zu schmusen ist
einfach bescheuert, nicht
irgendein Rebellentum.
Was Haider allerdings geschafft hat, ist eine nachhaltige Vergiftung der po^li^ti^schen Kultur über gut ein
Dutzend Jahre. Das verschwindet nicht so schnell.
Wolfgang Schüssel kann
nach derzeitigem Stand einigermaßen optimistisch in
die Zukunft blicken. Die
FPÖ wird ihm kaum abspringen. Und wenn sich
bei den nächsten Wahlen
keine schwarz-blaue Mehrheit ausgeht, könnte es ihm
gelingen, schwarz-grün
weiterzuregieren.
(DER STANDARD, Printausgabe, 21.9.2004)