Verlierer strahlen wie Gewinner, und sicher geglaubte Bastionen beginnen zu wackeln: Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg hat sich so etwas wie ein politisches Erdbeben in Deutschland ereignet - nicht nur durch das erschreckend gute Abschneiden der rechtsextremen Parteien NPD und DVU. Dass diese Parteien vor allem junge Wähler anziehen konnten, ist alarmierend. Es zeigt, dass die Demokratie in Ostdeutschland noch nicht auf festem Fundament steht.

Der Wahlausgang hat auf jeden Fall Bewegung ins politische Berlin gebracht. Für die SPD ist das Ergebnis ein Grund, wieder optimistischer in die Zukunft zu schauen. Trotz der Verluste für die Sozialdemokraten spürt die rot-grüne Regierung wieder Rückenwind, gerade weil sich Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck im Wahlkampf prinzipiell hinter die Reformen gestellt und nur vereinzelte Auswüchse kritisiert hat. Platzecks engagierter Wahlkampf sollte den SPD-Politikern in Nordrhein-Westfalen zum Vorbild gereichen, wo am nächsten Sonntag Kommunalwahlen anstehen. Im Jubel praktisch ausgeblendet wird, dass die SPD in Sachsen nur noch ein einstelliges Ergebnis erreicht hat.

Aber angesichts der dramatischen Einbrüche für die CDU nehmen sich die SPD-Verluste fast bescheiden aus. Die Union ist unvorbereitet im schwarzen Kernland Sachsen in ein tiefes Loch gefallen, das Demoskopen so nicht vorausgesagt hatten. Ihre Chefin Angela Merkel sieht sich in Folge auch mit einer Führungsdiskussion konfrontiert. Ihr Kurs, mit der Regierung Reformen zu beschließen und als Opposition nicht total zu blockieren, wird offen kritisiert. All jene, die Merkels Eignung als Kanzlerkandidatin schon bisher in Frage stellten, sehen sich wieder im Aufwind. Die politische Großwetterlage in Deutschland hat sich durch diese Wahlen geändert. Die Auseinandersetzung wird wieder an Schärfe zunehmen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.9.2004)