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Foto: APA/Gindl
Der Tiroler Glasproduzent Georg Riedel (55) sorgte mit der Übernahme eines etwa sechsmal so großen deutschen Konkurrenten für einen Paukenschlag: Mit dem Kauf der finanziell angeschlagenen Nachtmann AG entsteht ein Konzern mit 220 Millionen Euro Umsatz und 1900 Mitarbeitern. Während Riedel bisher acht Millionen Gläser produzierte (600.000 davon mundgeblasen), schaffte Nachtmann bisher 50 Millionen pro Jahr.

Drei neue Marken

Riedel bekommt mit dem Zukauf nicht nur eine eigene Maschinenglasproduktion (bisher erzeugte Riedel nur die mundgeblasenen Sommeliergläser in den beiden Werken Kufstein und Schneegattern selbst), sondern auch drei neue Marken mitgeliefert: Nachtmann, Spiegelau und Marc Aurel.

Auf den früheren Marathonläufer, der nun auf Radfahren und Berggehen umgestiegen ist, wartet damit genug Arbeit. In Italien geboren, übernahm Georg Josef Riedel Mitte der Siebzigerjahre die Führung des Familienunternehmens. Unter seiner Leitung wurden die Geschäftsbeziehungen zum US-Markt ausgebaut und eine Niederlassung in New York gegründet, die derzeit von seinem Sohn Maximilian (27) geleitet wird. Ausgestellt sind die Gläser auch im Nobelgeschäft Tiffany. Die Tochter Laetizia (30) arbeitet als Anwältin. Mit deren Mutter, Eva, einer studierten Kunsthistorikerin, ist Georg Riedel seit mehr als 30 Jahren verheiratet.

Verbreitung der Glaskultur

Zu Riedels Verdiensten gehört die weltweite Verbreitung der Glaskultur, aufbauend auf dem Weinboom der späten Neunzigerjahre. Vor wenigen Jahren wurde eine Tiroler Schauhütte eröffnet. Viel Kritik brachten ihm hingegen seine Äußerungen über die "gesunde Watschen" ein. In der Ö3-Reihe "Frühstück bei mir" erklärte Riedel im Jahr 2000, seine Kinder hätten darum "gebettelt". Als sie klein waren, habe er ihnen den Hintern versohlt, später habe es Schläge "ins Gesicht" gegeben. Er habe ihnen nicht wehtun wollen. Aber ein scharfes Wort habe nicht gereicht, dazu sei er zu "emotionell".

Seinen Vater, Claus Riedel, der heuer 79-jährig verstarb, hat er mit 70 pensioniert. Auch er selbst baue darauf, dass ihn einmal seine Kinder "davonjagen werden", wie er in einem Interview sagte. Claus Riedel war es, der die Mitte des 18. Jahrhunderts in Böhmen gegründete Glasmanufaktur zu internationalem Ansehen führte. Mitte der Fünfziger kauften Claus Riedel und dessen Vater mithilfe Daniel Swarowskis eine bankrotte Glashütte in Kufstein und konnten so die böhmische Familientradition in Österreich wiederbeleben. Riedel wurde weltberühmt, weil er das Zusammenspiel von Form und Funktion des Glases erkannte. Auf seine handgemachten Kreationen schworen Winston Churchill genauso wie die Duchess of Windsor. (Claudia Ruff, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.9.2004)