Brüssel - Der deutsch-türkische Grünen-Europaabgeordnete Cem Özdemir hat im Streit um die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei von doppelten Standards in der EU gesprochen. "Wir dürfen in der Türkei nicht Maßstäbe ansetzen, die wir bei uns nicht anwenden", sagte Özdemir am Mittwoch in Brüssel. Er verwies dabei auf die Lage in Rumänien und Bulgarien, die der EU 2007 beitreten sollen. Auch zu dem Zeitpunkt, als die früheren Diktaturen Spanien, Portugal und Griechenland der EU beigetreten seien, seien demokratische Werte in diesen Ländern noch nicht überall verbreitet gewesen, sagte der Özdemir, der dem Europäischen Parlament seit Juni dieses Jahres angehört. Natürlich gebe es in der Türkei noch Folter und andere Verletzungen der Menschenrechte, räumte er ein. Fortschritte

Die EU dürfe aber nicht ignorieren, welche Fortschritte das Land gemacht habe. So würden in der geplanten Strafrechtsreform die Rechte der Frauen generell gestärkt, sagte Özdemir und verwies auf das Verbot der sogenannten Jungfrauentests. Es sei allerdings verwunderlich, dass Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan den bereits gefundenen Kompromiss zur Strafrechtsreform wegen des Ehebruch-Paragraphen wieder aufgeschnürt habe.

Er sei aber zuversichtlich, dass im Streit zwischen Ankara und Brüssel eine Lösung gefunden und die EU-Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen in ihrem Bericht am 6. Oktober empfehlen werde, sagte Özdemir. Sobald die Strafrechtsreform verabschiedet sei, seien die Kopenhagener Kriterien zur Aufnahme der Verhandlungen erfüllt. Die Verhandlungen selbst werden nach seiner Einschätzung mindestens zehn Jahre dauern. (APA/AP)