Ein alter Hut scheine für Juristen das Thema "Gewaltenteilung" zu sein. Stehe es doch als unverrückbares Prinzip in der Verfassung und sei allseits akzeptiert, so Helige. Bei der Gewaltteilung kommt es auf die Trennung der drei Staatsgewalten - Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit - an.
Persönliche Unabhängigkeit des Richters ist nicht ausreichend
"Der persönlichen Unabhängigkeit des Richters trägt die österreichische Bundesverfassung weitgehend Rechnung. Das reicht aber nicht. Es existiert nämlich in einem hohen Ausmaß eine strukturelle Abhängigkeit der Gerichtsbarkeit insgesamt und der Richter in erster Linie vom Justizminister", sagte Helige. Dies springe in Österreich besonders ins Auge, da in anderen europäischen Verfassungen sehr wohl versucht werde, ein derartiges Ungleichgewicht zu vermeiden.
Wesentliche Entscheidungen über die Auswahl der Richteramtsanwärter, die Ernennung der Richter, aber auch die Verteilung der Planstellen und des Budgets, würden bei der Justizverwaltung liegen, und diese sei dem Minister weisungsgebunden. Die Folge: Ein hohes Maß von strukturelle Abhängigkeit vom Justizminister.
Helige: Schaffung eines "Rates der Gerichtsbarkeit"
Heliges Lösung: Die Schaffung eines "Rates der Gerichtsbarkeit". Dieser solle aus dem Justizminister, aber mehrheitlich aus Richter bestehen, dabei solle der Bundespräsident den Vorsitz führen. Jedenfalls solle die Zusammensetzung des Rates jede parteipolitische Ausrichtung des Gremiums verhindern.
Helige weiter: Durchaus ernst gemeinten Drohgebärden von seiten der Mächtigen
"Niemand kann sagen, dass die Richter derzeit ständig unter Druck gesetzt werden. Aber ein unbotmäßige Richterschaft, die nicht nach den Vorstellungen der Mächtigen urteilt, muss immer wieder mit durchaus ernst gemeinten Drohgebärden rechnen", erklärte die Richter-Präsidentin, die auch personelle oder finanzielle Aushungerungen dazuzählt. (APA)
Bernd Schilcher sieht die Gefahr des Unter-Druck-Geratens der Richter von der politischen Kultur eines Landes abhängig. "Da, wo es immer noch rote und schwarze Autofahrerclubs gibt, ist die politische Kultur noch nicht sehr weit", meinte der Professor. Dennoch sei die österreichische Rechtsprechung eine sehr unabhängige. Der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der Richter stehe aber auch immer wieder vorauseilender Gehorsam gegenüber. Deshalb, so Schilcher, seien die Bedenken Heliges nicht unbegründet. "Ich behaupte, dass die ordentlichen Gerichte in Zukunft gefordert sind, durch einen Kulturwechsel: von einer obrigkeitlichen Anordnungskultur zu einer Vertragskultur", sagte Schilcher.
Strategische Kompetenz sollte bei den Gerichten und nicht im Ministerium liegen
Schilchers Vorschlag: Der Justizminister solle die allgemeinen strategischen Bedingungen und Richtlinien erlassen. Die strategische Kompetenz solle aber bei den Gerichten selbst liegen. In dieses Konzept passe die Forderung der Richter nach einem Rat durchaus, erläuterte der Professor.
Verfassungsrechtler Adamovich begeistert gefordertes Modell nicht zur Gänze
Auch für Adamovich hat das Konzept eines Rates der Gerichtsbarkeit einen guten Grund. Als besondere Problembereiche, die Abhängigkeit schaffen, nannte Adamovich die Ernennung der Richter, die Aufteilung des Budgets, sowie den Einsatz von Hilfsmitteln wie Schreibkräfte und Computer.