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Auch die Gegner sind schon vor Ort. Greg Rusedski, Jeremy Bates und Tim Henman (v.li) beim Fototermin am Wörthersee.

Foto: REUTERS/Daniel Raunig
Pörtschach - Er, um den es nicht geht, steht auf dem Tennisplatz. Rund sieben Stunden pro Tag. Im Trainingsanzug oder in kurzen Hosen, das hängt von der jeweiligen Außentemperatur in Pörtschach ab und liegt ganz im Ermessen eines Captains. Er hält sich in der Mitte, also in der Höhe des Netzes auf, sein Kopf bewegt sich aufgrund dieser Position von links nach rechts und wieder zurück. Oder gen Himmel, schließlich ist die Flugbahn des Balles nicht vorhersehbar. Obwohl Lobs in der Regel schon gewollt sind. Speziell bei österreichischen und anderen Daviscup-Spielern.

Thomas Muster hat einen Schläger dabei (eine Form von Automatismus), er benützt ihn aber kaum, schließlich sind seine (ehemaligen) Künste gegen Großbritannien von nationalem Desinteresse. Er hat ja auf der Bank zu sitzen. Die Arme sind hinter dem Rücken platziert, manchmal lehnt er an der Bande, manchmal schaut er ernst drein, manchmal lacht er, manchmal sagt er "super". Und regelmäßig entkommt ihm ein "Hopp". Ein gemurmeltes, aber doch bestimmtes "Hopp".

Er schmeißt Stefan Koubek, Jürgen Melzer und den anderen die Bälle zu. Nachdem er sie aufgeklaubt hat. Muster kann eine einzige Hand mit vier Stück füllen. Oder er schnappt sie aus einem schäbigen Karton, in einem höllischen, für manch Ballwurfmaschine demotivierenden Tempo. Drill heißt das. Wobei gegen Ende der Vorbereitung eher das Spiel um Punkte forciert wird. In den Trinkpausen bespricht er das vorhergegangene Game, er simuliert gewisse Situationen und Bewegungen, Schattentennis. Die Burschen hören aufmerksam zu, nicken, fragen nach.

Dass Muster unter dem Kinn ein großes Pflaster picken hat, ist auffallend, aber völlig bedeutungslos. Ein Haar aus dem Fünftagebart irrte gewaltig, es ist nach innen gewachsen, der Teamarzt hat das Malheur rausgeschnitten.

"Musst du jeden Ball kommentieren, kannst du nicht einmal den Mund halten", sagt Muster zum nicht leicht erziehbaren Daniel Köllerer, der als Sparringpartner mitgenommen wurde. Der wird trotzig, Muster forscher. "Was du machst, ist eine Themenverfehlung, du sollst Vorgaben erfüllen, den Henman imitieren. Der Koubek gehört vorbereitet, nicht du. Halt endlich den Mund." Da es nicht um Muster geht, hat er die Arbeit für den sensiblen Koubek erledigt, dessen Gedanken gelesen.

Der Captain kritzelt immer wieder Notizen auf ein paar lose Zettel, die den Sprung zum Block verpasst haben. Die Tage sind exakt durchgeplant, Muster hält Konferenzen mit den Privattrainern ab, es gibt keine Extrawürste, schließlich sei man ein Team. "Manche haben einen zu großen Hang zur Playstation." Am Dienstag durften die Spieler zum Eishockey nach Villach. Ein gemeinsamer Kinobesuch ist nicht vorgesehen, in Pörtschach zeigen sie "Bohr weiter, Kumpel", ein vermutlich köstliches Sexlustspiel aus dem geilen Ruhrgebiet, das passt aber nicht wirklich ins Daviscup-Programm.

"Thomas Muster, bitte ein Autogramm", schreit ein kleiner Bub und reibt ihm aufgeregt einen überdimensionalen Tennisball unter das Pflaster. Natürlich unterschreibt er. Dass es spätestens ab Freitag um Melzer und Koubek gehen soll und gehen muss, würde das Kind niemals verstehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 23. September 2004, Christian Hackl)