Berlin - Der angestrebte schnelle Börsengang der Deutschen Bahn ist geplatzt. Der bisherige Zeitplan mit einem Gang aufs Parket noch vor der Sommerpause 2006 erscheine "angesichts der derzeitigen Rahmenbedingungen nicht realistisch", erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Michael Frenzel am Mittwoch in Berlin.

Darauf habe sich der Aufsichtsrat "im Einvernehmen mit dem Eigentümer Bund und mit dem Vorstand der Bahn" verständigt.

Ein Sprecher der Eisenbahnergewerkschaft Transnet, die zuvor erstmals deutlich eine Verschiebung gefordert hatte, sprach von einem "Schritt in die richtige Richtung". Zuvor war in Politik und Wirtschaft neue Kritik an den Börsenplänen laut geworden.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Der Gang aufs Parkett sei mit der Verschiebung aber nicht abgesagt, betonte Frenzel: "An dem Ziel der Kapitalmarktfähigkeit der Bahn wird festgehalten." Auch die unter anderem von den Wirtschaftsverbänden geforderte Trennung von Bahnbetrieb und Schienennetz lehnte er weiterhin ab. "Für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Bahn ist auch der Erhalt des integrierten Bahnkonzerns unabdingbar."

Der Bund unterstütze "nachhaltig die erfolgreiche Arbeit" von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn, die Bahn "zu einem leistungsfähigen, modernen Verkehrsanbieter zu machen", betonte Frenzel. Mehdorn hatte sich zuletzt mit Nachdruck für einen Börsengang der Bahn noch vor der nächsten Bundestagswahl 2006 stark gemacht.

Am Mittwoch forderte allerdings erstmals auch die Gewerkschaft Transnet mit deutlichen Worten einen unbefristeten Aufschub. "Der geplante Börsengang ist nicht zu machen", erklärte Transnet-Chef Norbert Hansen. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

Auch Gewerkschaft gegen Termindruck

Die Eisenbahnergewerkschaft habe den ursprünglichen Zeitplan für "überhaupt nicht realistisch" gehalten, betonte Transnet-Sprecher Michael Klein nach der Verschiebung. Auch jetzt spreche sich die Gewerkschaft gegen Termindruck aus. "Es muss überhaupt keinen Zeitplan geben."

Zuvor hatte der Grünen-Verkehrsexperte Albert Schmidt bereits verdeutlicht, er sehe keine Chancen mehr für einen Börsengang der Bahn bis 2006. Zunächst müsse die Frage des Modells geprüft werden, also mit oder ohne Netz. "Das Gutachten dazu wird gerade erst vergeben", sagte Schmidt der "Netzeitung".

Es werde "also Frühjahr oder sogar Frühsommer 2005 werden", bis es vorliege. "Dann erst kann das Parlament überhaupt dazu Stellung nehmen." Schmidt betonte, dass Bundestag und Bundesrat das Privatisierungsvorhaben genauestens prüfen würden.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm Schmidt, räumte ein, dass die Voraussetzungen für einen Börsengang sich nicht verbessert hätten. "Wir wollen den Börsengang, aber es ist nicht einfacher geworden in letzter Zeit", sagte Schmidt mit Blick auf Gutachten zur Kapitalmarktfähigkeit der Bahn. Die SPD halte aber weiter am Ziel eines Börsengangs fest.

"Sachorientierte" Diskussion angemahnt

Die Wirtschaft mahnte eine "sachorientierte" Diskussion über die Art des Börsengangs an. Eine von den Verbänden in Auftrag gegebene Studie eines Beraterkonsortiums belege, dass die Trennung von Netz und Betrieb "möglich ist", betonte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben.

Die Industrie habe ein "ausgeprägtes Interesse" an einem zuverlässigen Schienennetz, sagte BDI-Geschäftsführer Carsten Kreklau. Mit mehr Wettbewerb über eine eigenständige Netz AG sei dies zu erreichen.

Transnet warn vor Zerschlagung

Dagegen warnte Transnet vor einer "Zerschlagung des Konzerns". Es gehe "bestimmten Kräften" nicht darum, Netz und Betrieb zu trennen, um Wettbewerb zu forcieren, erklärte Hansen vor einer Betriebsrätetagung in Berlin. Es gehe "schlichtweg darum, den Konzern insgesamt zu zerschlagen und dann Filetstückchen auf dem Parkett zu braten".

Die Betriebsräte von Bahn, Bahnindustrie und Verkehrswegebau warnten in einer gemeinsamen Erklärung mit Blick auf Einsparungen und Börsenvorbereitungen, eine Fortsetzung der aktuellen Verkehrspolitik zerstöre "Tausende von Arbeitsplätzen in der insgesamt rund 450.000 Arbeitsplätze zählenden betroffenen Branche". (APA)