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Number 10, Downing Street, Amtssitz des britischen Premiers.

Foto: REUTERS/Toby Melville
London/Bournemouth - Zur Einstimmung auf die im kommenden Jahr erwarteten Neuwahlen beginnt die regierende britische Labour-Partei am Sonntag in Brighton ihren Parteitag. Allen Bemühungen zum Trotz ist es in den vergangenen Tagen nicht gelungen, den Krieg im Irak in den Hintergrund zu drängen. Die Geiselnahme des britischen Geschäftsmanns Ken Bigley und sein flammender Hilfsappell an Premierminister Tony Blair halten die Nation in diesen Stunden in Atem. Umfragen in Großbritannien zeigen, dass die Bevölkerung dem Krieg kritischer denn je gegenüber steht. Fast drei Viertel der Labour-Wähler wollen ein fixes Datum für einen Truppenabzug aus dem Irak.

"Eiserner Blair"

Demgegenüber hält Blair eisern an seiner Rechtfertigung des Krieges fest, wonach der Irak mit dem Sturz Saddam Husseins die Perspektive auf Demokratie und Freiheit gewonnen habe. Es ist zu erwarten, dass er dies auch in seiner Grundsatzrede am Dienstag, dem Höhepunkt des Parteitags, tun wird. Wie aber schon in einem Auftritt vor den Gewerkschaften in der Vorwoche wird Blair sein Festhalten an dem Irak-Krieg mit Botschaften umkleiden, die in der Partei besser ankommen: Kampf für das Kyoto-Protokoll, gegen Aids, gegen den Hunger in Afrika, für die Flüchtlinge im sudanesischen Dafur.

Innenpolitik

Vor allem aber wird Blair alles daran setzen, die innenpolitischen Errungenschaften seiner Regierung in den Mittelpunkt zu stellen: "Auch wenn ich nie weg gewesen bin, ist es Zeit zu zeigen: Ich bin wieder da", sagte er in der bemerkenswert konzilianten Rede vor den Gewerkschaften in Anspielung auf Kritik, er sei zu sehr mit Weltpolitik beschäftigt. Die Propagandamaschine der Regierung wird nicht müde, auf sinkende Flüchtlingszahlen, bessere Gesundheitsdienste und Rekordinvestitionen in die marode Infrastruktur hinzuweisen.

Rivale Brown

Ehe er aber selbst sprechen darf, steht Blair noch eine weitere Herausforderung bevor. Schon am Montag ist Schatzkanzler Gordon Brown am Wort, und mit Spannung wird erwartet, was der ewige Rivale Blairs dem Parteivolk dieses Jahr zu sagen hat. Im Vorjahr hatte sich Brown so dezidiert von Blair abgesetzt, dass das ohnehin gespannte Verhältnis zwischen den beiden auf einen neuen, kritischen Tiefstand fiel. Nach der Parteilegende wartet Brown immer noch auf die Nachfolge Blairs. Alle Manöver und Äußerungen des Regierungschefs der letzten Zeit deuten jedoch darauf hin, dass er noch lange nicht an einen Rücktritt denkt.

Interne Streite

Umfragen bestätigen, dass die einzige Partei, die Labour gefährlich werden kann, letztlich Labour selbst ist. Interner Streit schadet der Partei mehr als die politischen Herausforderer. Nach einer am Mittwoch veröffentlichen Meinungsumfrage führt Labour derzeit mit 36 Prozent vor den Konservativen mit 32 und den Liberaldemokraten mit 22 Prozent. Auf Grund des britischen Mehrheitswahlrechts würde das wieder für eine überwältigende Mehrheit für die von Blair angestrebte dritte Amtszeit reichen. Noch nie hat Labour drei Wahlen hintereinander gewonnen. Und trotz aller Probleme wird Blair dieser historische Sieg im kommenden Jahr kaum zu nehmen sein.

Liberale sehen sich als "einzige Alternative" zu Labour: Verwandlung von "Protestpartei" zu "Partei der Macht"

Die britischen Liberalen sind nach den Worten ihres Vorsitzenden Charles Kennedy auf dem besten Weg, die Konservativen zu überholen und zur "einzigen Alternative" für eine von Labour geführte Regierung zu werden. Die Liberaldemokraten seien dabei, sich von einer Protestpartei in eine "Partei der Macht" zu verwandeln, sagte Kennedy am Donnerstag zum Abschluss des diesjährigen Libdem-Parteitags in Bournemouth (Südengland).

Konservativen in vielen Landesteilen bereits "dritte Kraft"

In vielen Teilen des Landes seien die Konservativen unter Führung von Michael Howard inzwischen zur "dritten Kraft" geworden, sagte Kennedy. "Die Tories gehören der Vergangenheit an, wir arbeiten für die Zukunft." Die Liberaldemokraten sind mit 55 Sitzen im Unterhaus vertreten, die Konservativen haben 163 und Labour 406 Sitze.

Wiederholte Kritik an Blairs Irak-Politik

Kennedy ging am Donnerstag erneut scharf mit der Irak-Politik von Premierminister Tony Blair ins Gericht. Labour habe wegen des Irak- Debakels das Vertrauen der Bevölkerung verloren, sagte er. Es dürfe "nie wieder" geschehen, dass eine frei gewählte britische Regierung blindlings der US-Politik folge und sich ohne ausreichenden rechtlichen Rückhalt in einen Krieg ziehen lasse. (APA/dpa)