Istanbul - Mit Freude haben türkische Zeitungen am
Freitag auf das Ergebnis der Gespräche von Ministerpräsident Recep
Tayyip Erdogan und EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen in
Brüssel reagiert. "Das Tor zur EU hat sich geöffnet", schrieb das
Blatt
"Milliyet"
. "Wir sind Europäer", lautete die Überschrift der
Zeitung
"Sabah"
. Erdogan habe die Türkei dem Ziel EU so nahe gebracht
wie nie zuvor seit dem Assoziierungsabkommen vor 41 Jahren. "Unser
Weg ist nun frei", verkündete die Zeitung
"Hürriyet"
.
"Basler Zeitung":
"(EU-Erweiterungskommissar) Günter Verheugen hat klar gesagt, der
Bericht der EU-Kommission werde Detailkritik enthalten. Aber
insgesamt gebe es kein Hindernis gegen die Aufnahme von
Beitrittsgesprächen. Einen positiven Entscheid der Staats- und
Regierungschefs der EU im Dezember hat Erdogan damit fast in der
Tasche.
Indem er seinen Groll runterschluckte, ist Erdogan zum großen
Staatsmann geworden. Er könnte als derjenige in die Geschichtsbücher
eingehen, der die Türkei nach Europa geführt hat.
Bemerkenswerterweise dürfte dies dann einem Politiker gelungen sein,
der nicht aus der Nachfolge Atatürks, sondern aus dem islamischen
Milieu kommt. In einer Zeit, in der radikale Gruppen im Namen des
Islam einen totalen Krieg gegen "westliche Werte" führen, kann dies
auch ein Signal an die islamische Welt sein."
Le Figaro
"Der deutsche EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen hat den
Weg gewiesen. Nachdem sein "Freund" Erdogan versprochen hat, die
Regelungen zum Ehebruch aus dem neuen Strafrecht zu streichen, hat
unser guter Kommissar erklärt, dass einer Empfehlung der Kommission
für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nichts
mehr im Wege steht. Verheugen hat dabei nicht nur vergessen, dass
Entscheidungen der Kommission immer kollektiv gefällt werden. Er
scheint auch sicher zu sein, dass ihm im Dezember der EU-Gipfel der
Staats- und Regierungschefs folgen wird, der das letzte Wort hat.
Er weiß in der Tat, dass Chirac, Blair und Schröder jeder aus
anderen Gründen Erdogan gesagt haben, dass "es geschafft" ist. Die
Sache scheint also gelaufen zu sein. Sie zeigt karikaturenhaft, wie
die "demokratische Debatte" in unseren braven europäischen
Einrichtungen verläuft. In dieser Welt ist das Spiel immer schon im
Voraus entschieden. (...) Und wenn das Volk dumm genug ist, sich
gegenüber diesem verrückten Erweiterungsrennen skeptisch zu zeigen,
dann verzichtet man eben ganz einfach auf seine Zustimmung." (APA/dpa)