Geschlechterpolitik
"Ich hatte schon etliche schlaflose Nächte"
Barbara Prammer spricht im dieStandard.at-Interview über vergangene und zukünftige Frauenpolitik in Österreich
dieStandard: Mit welchem Ziel wurden Sie Frauenministerin? Was haben Sie erreicht?
Prammer:
Ich bin vor 3 Jahren Frauenministerin geworden - mit dem klaren Ziel, das fortzusetzen, was begonnen wurde.
Wir haben zumindest zwei Dinge geschafft. Erstens: Die rechtliche Gleichstellung wurde weitgehend bewerkstelligt. Zweitens: Die kompensatorischen Maßnahmen, die notwendig sind, damit Frauen aufholen können, haben langsam begonnen. Hier fürchte ich einen massiven Rückschritt.
dieStandard:
Welchen politischen Strukturen sahen Sie sich in Ihrer Amtszeit gegenüber?
Prammer:
Ich bin in eine laufende Periode eingetreten und habe ein fertiges Regierungsübereinkommen vorgefunden. Für mich war eigentlich ziemlich klar, was an Kompetenzerweiterung für eine Frauenministerin notwendig gewesen wäre: Das heißt vor allen Dingen neben der Legistik der Gleichbehandlungsgesetze einen noch klareren Begutachtungsvorlauf bei allen Gesetzen und natürlich auch mehr Geld. Ich habe trotz Schwierigkeiten mein kleines Budget vervierfachen können.
dieStandard:
Wo haben Sie in der Partei und auch außerhalb Verbündete gefunden?
Prammer:
Innerhalb meiner Partei war es verhältnismäßig einfach, die Frauenanliegen immer wieder stark einzubringen. Das hat an den Führungspersonen gelegen, vielleicht auch an meinem Verhandlungsstil. Ich habe aber zu wenig stark versucht auch die Frauenorganisationen und die Frauenvereine in meine Arbeit mit herein zu nehmen.
dieStandard:
Was hat die SPÖ in ihrer Regierungszeit versäumt?
Prammer:
Das ist äußerst schwierig zu beantworten, da es ja ein sehr langwieriger und mühsamer Prozess ist, und natürlich auch eine Partei wie die SPÖ die gesellschaftlichen Normierungen widerspiegelt. Es hat natürlich auch innerhalb der SPÖ lange gedauert bis die Frauen einigermaßen ihren Stellenwert erlangen konnten, bis es die Quotenregelung gab.
dieStandard:
Das Thema Karenzgeld war ein ständiger Streitpunkt zwischen der SPÖ und der ÖVP. Aber auch in Ihrer Partei gab es keine einheitliche Linie. Was wurde hier verabsäumt?
Prammer:
In dieser Richtung sind ein paar Punkte ganz einfach auch sehr oberflächlich diskutiert worden. Es ist auf der einen Seite sehr sichtbar geworden, dass in Sachen Karenz andere Schwachpunkte in der Sozialpolitik vorhanden waren. Tatsache ist aber, dass das Karenzgeld ein Ersatz für entfallenes Einkommen sein muss. Ich denke, das ist für uns jetzt weitgehend ausdiskutiert.
dieStandard:
Sie haben sich einmal als Bündnispartnerin des Frauenvolksbegehrens bezeichnet. Wie weit sind Sie in Bezug auf die Realisierung der Forderungen gekommen?
Prammer:
Wir wissen alle, dass das Frauenvolksbegehren tatsächlich bei weitem nicht umgesetzt ist. Für mich war es natürlich von vornherein klar, dass es zum Teil Punkte sind, die schon eine sehr lange Zeit brauchen werden, um umgesetzt zu werden. Es hätte viele Möglichkeiten gegeben, das Frauenvolksbegehren umzusetzen, wenn wir einen anderen Regierungspartner gehabt hätten. Der logische Schluß ist für mich: Keine Koalition mehr mit einem konservativen Partner, wenn es für die Sozialdemokratie nicht unbedingt sein muss.
dieStandard:
Würden Sie sagen, dass Ihre Partei hinter dem Frauenvolksbegehren gestanden ist?
Prammer:
Ja, diese Meinung habe ich.
dieStandard:
Welche Errungenschaften werden aus Ihrer Sicht durch die Abschaffung des Frauenministeriums verloren gehen?
Prammer:
Es wird niemanden mehr geben, der sich rechtzeitig einbringt und Widerstand und Widerspruch erhebt. Ich denke mit Schaudern daran, was da wieder alles auf die Frauen zukommt: Von der gemeinsamen Obsorge bis zu Rückschritten im Familienrecht und vieles mehr.
dieStandard:
Werden in dieser Regierung die Frauen neben Sozialem, Familie und "Generationen" untergehen? Werden sie auf Familie oder "Sozialfälle" reduziert?
Prammer:
Eindeutig. Man liest es ja auch im Programm von vorn bis hinten. Es gibt kaum einen Absatz, wo auf die Frauenpolitik Bezug genommen wird, wo nicht sofort von der Frau als Mutter gesprochen wird. Von daher ist es die wirkliche Reduzierung darauf. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass wirklich eine Zeit in Österreich hereinbrechen könnte, die mit dieser Brachialgewalt versucht, die Frauen wieder dort hin zu versetzen, wo sie sich gerade mühevoll aufgemacht haben zu verabschieden.
Das werden sich die jungen Frauen - egal von welcher Bildungsebene sie kommen - nicht gefallen lassen.
dieStandard:
Sie sprachen von der Chance eines neuen Aufbruchs der SPÖ. Welche neuen Bündnisse könnten entstehen? Wissen Sie auch von einem Projekt eines Schatten-Frauenministeriums?
Prammer:
Ich kenne das Projekt. Es wird viel über Schattenministerien gesprochen. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass die Frauenbewegung neue Strategien braucht, dass es nicht mehr so funktionieren kann, wie es vor fünfzehn Jahren funktioniert hat, weil eine neue Generation gekommen ist, die auch andere Zugänge und ein anderes Selbstverständnis zu sich selber hat.
Trotzdem muss es möglich sein, hier einen gemeinsamen Nenner zu formulieren und diesen gemeinsamen Nenner dann bestmöglich aktivistisch einzusetzen.
dieStandard:
Werden Frauenprojekte, die auch von ihnen unterstützt wurden, untergehen?
(Anm.:
20 Wiener Fraueneinrichtungen bangen um ihre Existenz
,
Österreichweit sind 180 Frauenprojekte bedroht
)
Prammer:
Die ganze Sache hat mehrere Ebenen. Zum einen werden es die Fraueneinrichtungen vermutlich sehr schwer spüren, dass das Arbeitsmarktservice reduziert werden soll. Zum anderen soll evaluiert werden. Hier wird die Streu vom Weizen getrennt: Wer sind die Guten? Wer sind die Braven? Wer sind die, die nur aufmüpfig sind und nur feministischen Unsinn von sich geben? Letztere sollen wahrscheinlich die ersten sein, die kein Geld mehr bekommen. Ich würde mir wünschen, dass die Organisationen die Kraft entwickeln, sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen, weil ich glaube, dass das als erstes versucht werden wird.
dieStandard:
Können Sie sich eine Frauenpartei in Österreich vorstellen? Würden Sie für diese zur Verfügung stehen?
Prammer:
Ich kenne nicht wirklich ein positives Beispiel, wo eine Frauenpartei den Erfolg gebracht hätte, den man sich manches Mal vorstellt. Ich halte persönlich nicht sehr viel von einer eigenen Frauenpartei. Ganz einfach auch deswegen nicht, weil ich erstens eine Minderheitenfeststellung fürchten würde. Das heißt, würde diese Partei nicht wirklich 30 bis 40 Prozent der Frauenstimmen bekommen, dann ist das für mich eine Minderheitenfeststellung.
Dass manche Frauen manches Mal mit der Idee winken, finde ich sehr fruchtbringend, da uns das immer in Bewußtsein bringt, dass die Frauen in den Institutionen nicht wegschlafen dürfen.
dieStandard:
Wie wird es in Ihrer Partei weitergehen? Brigitte Ederer hatte im Vorfeld der Parteivorsitzendensuche gemeint, der Doppelschritt Opposition und Frau als Vorsitzende sei der Partei im Moment noch nicht zumutbar.
Prammer:
Ich sehe das anders. Ich glaube wirklich, das hängt an Personen und nicht an Frau oder Mann. Ich bin davon überzeugt, dass auch die SPÖ schon reif wäre. Ich glaube aber, dass diese Frau, würde es sie geben, von der Partei ein Stück weit breiter getragen werden müsste, als es vielleicht bei einem Mann der Fall ist. Ein gewisser Unterschied wäre noch vorhanden. Das ist auch eine Herausforderung an uns Frauen, Frauen so stark zu machen, ihnen derartiges Gewicht zu verschaffen, dass kein Weg mehr an ihnen vorbei führt.
dieStandard:
Das heißt, es gab keine Frau, die bereit oder qualifiziert war, dies zu übernehmen?
Prammer:
In dieser Doppelkombination stimmt es.
dieStandard:
Gibt es männerbündische Strukturen in Ihrer Partei?
Prammer:
Es gibt natürlich noch Ortsorganisationen am weiten Land, wo es Frauen noch sehr schwer haben, wo zum Teil noch Männer am Werk sind, die man eher verstecken als herzeigen sollte. Das ist schon noch nach wie vor Realität. Dort, wo ich mir schon Sorgen mache, ist die Gewerkschaft, dass dort endlich Frauen auch das dementsprechende Gewicht kriegen. Ich glaube, es gibt immer weniger Männerbünde, in denen nicht auch Fachfrauen sind. Das haben wir in der letzten Zeit schon sehr stark durchbrochen.
dieStandard:
Was kann die SPÖ als Oppositionspartei zukünftig für Frauen machen?
Prammer:
Einmal kann die SPÖ insofern sehr viel tun, indem sie klar wird, wofür sie ganz genau in der Frauenpolitik steht. Diese Klarheit war in der Regierungsverantwortung nicht immer vorhanden.
Eine Oppositionspartei hat nicht allzuviel Einfluss, wenn es darum geht, Geldmittel zustande zu bringen. Wir sind mittlerweile umgekehrt in der Situation, dass Frauenorganisationen uns zur Seite stehen.
dieStandard:
Auf welche frauenpolitischen Themen werden Sie sich konzentrieren?
Prammer:
Da ändert sich eigentlich wenig. Ich setze nach wie vor auf die Erwerbssituation der Frauen mit allem drum herum. Das ist ohnehin ein sehr breites Feld. Ich sage, Frau muss erwerbstätig sein, weil das die wesentliche Garantie ist, dass sie ihr eigenständiges Leben leben kann, dass sie nicht ständig in der Ernährerabsicherung verhadert und hängenbleibt.
dieStandard:
Was bedeutet der 8. März für Sie?
Prammer:
Das ist nach wie vor der wichtigste Tag für die Frauen im Jahr. Da wird sich auch so schnell nichts ändern. Ich bin froh, dass er nichts an Bedeutung verloren hat. Ich weiß, dass die Vorbereitungsarbeit auf den 8. März immer wieder ein Motivationsschub ist. Dieser neue Schub jedes Jahr - noch dazu eher am Anfang eines Jahres - hat für mich noch einmal eine Bedeutung, unabhängig davon, dass um diesen Tag sehr viel medial stattfindet.
(Pia Feichtenschlager, Daniela Yeoh; Mitarbeit: Ulli Komzak)
Hier können Sie die Langfassung des Interviews nachlesen
Das österreichische Frauenministerium