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Irak als Dauerthema: Tony Blair hört den kritischen Eingangsstatements beim Labour-Parteitag zu.

Foto: AP /Richard Lewis
London/Brighton - Mit der Forderung nach einer Rücknahme der Privatisierung der britischen Eisenbahn hat sich eine Mehrheit der Labour Party gegen die eigene Regierung gestellt. 64 Prozent der Delegierten stimmten auf dem Parteitag in Brighton dafür, die Eisenbahn wieder zu verstaatlichen, wie am Dienstag die Auszählung der Stimmen ergab. Das Ergebnis ist für die Regierung allerdings nicht bindend.

Finanzminister Gordon Brown hatte sich vor der Abstimmung am Montag entschieden gegen eine Verstaatlichung der Eisenbahn gewandt, die nach seinen Angaben 22 Milliarden Pfund (32,3 Milliarden Euro) kosten würde. Die britische Eisenbahngesellschaft war Mitte der 90er Jahre von der konservativen Regierung unter John Major privatisiert worden, danach häuften sich Verspätungen und Unfälle.

Das Unternehmen Railtrack, das für das Schienennetz verantwortlich war, ging wegen der notwendigen Investitionen vor zwei Jahren in Konkurs. Es wurde von der amtierenden Labour-Regierung durch die gemeinnützige Gesellschaft Network Rail ersetzt.

Blair hebt Erfolge hervor Bei seiner mit Spannung erwarteten Rede auf dem Labour-Parteitag hat Blair die Erfolge seiner Regierung in der Wirtschafts- und Sozialpolitik hervorgehoben. Großbritannien sei nun die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, noch vor Frankreich, sagte Blair am Dienstag in seiner mit Spannung erwarteten Grundsatzrede: "Die Arbeitslosigkeit ist auf dem tiefsten Stand seit 30 Jahren."

"Irak-Schlappe für Blair"

Noch vor dem offiziellen Beginn des Labour-Parteitags im südenglischen Seebad Brighton hat der britische Premier Tony Blair nach Meinung seiner Kritiker eine erste Niederlage erlitten: Eine ausreichende Zahl von Delegierten votierte dafür, über Forderungen nach einem Rückzugsdatum für die britischen Truppen im Irak abzustimmen. Blair hat immer gesagt, ein solches Datum könne man nicht festlegen. Zwar wurde nicht damit gerechnet, dass die Mehrheit der Delegierten zum Abschluss des Parteitags am Donnerstag für ein solches Rückzugsdatum stimmen wird. Dennoch hieß es in britischen Medien, die vorhergehende Debatte könnte für Blair "peinlich" werden.

Sein ehemaliger Außenminister Robin Cook rief ihn dazu auf, den Delegierten in seiner Rede am Dienstag zu versprechen, nie wieder einen Krieg wie im Irak zu führen.

Von seinem parteiinternen Rivalen Gordon Brown bekam Blair Rückendeckung. Der Schatzkanzler rief die Delegierten zu "voller Unterstützung für Tony Blair, unseren Parteichef und Premier, in schwierigen Zeiten" auf. Alle Berichte über ein Zerwürfnis der führenden Labour-Politiker bezeichnete Brown als "Klatsch und Tratsch". Nach dem Willen der Regierung soll der Parteitag unter dem Motto "Ein besseres Leben für alle" im Zeichen der Innenpolitik stehen. Brown stellte am Montag in einer mit großem Beifall bedachten Rede heraus, dass die britische Wirtschaft unter Labour aufgeblüht sei wie nie zuvor seit 1945.

Doch das wichtigste Medienthema blieb der Irak, auch wegen des ungeklärten Schicksals des verschleppten Briten Ken Bigley. Dessen Bruder Paul warf Blair vor, mit seinem Schweigen ein "Todesurteil" zu fällen. Blair sei zwar ein Staatsmann, aber leider sei "sein Verfallsdatum überschritten", so Bigley zur BBC. "Blair fehlt ja die Glaubwürdigkeit, um über den Kauf eines Fahrrades zu verhandeln." (dpa, AFP/DER STANDARD, Printausgabe, 28.9.2004/Red/APA/AP/dpa)