Rechtsgrundlage Art 23e Abs 1 bis 4 B-VG lauten: " (2) Liegt dem zuständigen Mitglied der Bundesregierung eine Stellungnahme des Nationalrates zu einem Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union vor, das durch Bundesgesetz umzusetzen ist oder das auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet ist, der Angelegenheiten betrifft, die bundesgesetzlich zu regeln wären, so ist es bei Verhandlungen und Abstimmungen in der Europäischen Union an diese Stellungnahme gebunden. Es darf davon nur aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen.
Gemäß Art 23e Abs 1 B-VG hat das zuständige Mitglied der Bundesregierung den Nationalrat und den Bundesrat unverzüglich über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
2.2.2 Der Ausschussbericht des Verfassungsausschusses in 58 d. B XIX. GP zur Novelle des B-VG, mit der die Bestimmung des Art. 23e B-VG eingeführt wurde, verweist zur näheren Umschreibung des Begriffs "Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union" auf die Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art 15a B-VG über die Mitwirkungsrechte der Länder und Gemeinden in Angelegenheiten der Europäischen Integration, BGBl Nr 775/1992.
Die Vereinbarung benennt insbesondere (demonstrative Aufzählung): "a)Dokumente, Berichte und Mitteilungen von Organen und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaften, der Europäischen Freihandelsassoziation und des Europäischen Wirtschaftsraumes, b) Dokumente, Berichte und Mitteilungen über informelle Ministertreffen und Gremien im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften, der Europäischen Freihandelsassoziation und des Europäischen Wirtschaftsraumes, c) Dokumente und Informationen über Verfahren vor Europäischen Gerichten und Streitbeilegungseinrichtungen, an denen die Republik Österreich beteiligt ist, sowie d) Berichte der österreichischen Mission bei den Europäischen Gemeinschaften."
2.2.3 Bereits aus der Formulierung der Vereinbarung ergibt sich, dass auch nicht in der Aufzählung enthaltene Dokumente Informationen über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union enthalten können.
2.2.4 Auch einige Vertreter der Rechtswissenschaft gehen von einem eher weiten Vorhabensbegriff aus. So zB Griller in ZfRV 1995, 100, wo er sich für eine extensive Interpretation des Begriffs "Vorhaben" ausspricht. Ferner geht auch Öhlinqer in: Korinek, Kommentar zum österreichischen Bundesverfassungsrecht, RZ 5 zu Art 23e B-VG von einem weiten Verständnis des Vorhabensbegriffs aus. Weiters hat sich der Rechts- und Legislativdienst zB in dem Akt 42000.0020/6- RL. 1/2002 mit dem Vorhabensbegriff auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Änderung des Primärrechtes der EU ebenfalls unter den Vorhabensbegriff iS des Art 23e B-VG fällt. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass auch ein Vorgang, der die Informationsverpflichtung des Mitgliedes der Bundesregierung ausgelöst hätte, über den von diesem aber tatsächlich nicht informiert wurde, als Gegenstand einer Stellungnahme des Nationalrates denkbar ist.
2.3 Recht zur Stellungnahme Stellungnahmen des Nationalrates im Sinne des Vorhergesagten sind nur verbindlich, soweit sie zu EU-Vorhaben ergehen, die - entweder durch Bundesgesetz umzusetzen sind - oder auf die Erlassung eines unmittelbaren anwendbaren Rechtsaktes gerichtet sind, der Angelegenheiten betrifft, die bundesgesetzlich zu regeln wären (Art 23e Abs 2 B-VG). Nur diese bindenden Stellungnahmen unterliegen den Instrumenten der Ministerverantwortlichkeit. Nicht bindende Stellungnahmen können in allen übrigen Fällen des Art 23e B-VG abgegeben werden.
3.2. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Qualifikation als EU-Vorhaben - Zunächst ist festzuhalten, dass der Beitritt neuer Mitgliedstaaten im Wege der Beitrittsabkommen zwischen den Mitgliedsstaaten und dem antragsstellenden Staat jedenfalls ein Vorhaben der EU im Rahmen des Art 23e B-VG darstellt (vgl Öhlinger, aaO, RZ 8). Ebenso der Antrag des Staates, der den Beitritt zum Ziel hat, da dieser an den Rat zu richten ist. Spätestens ab diesem Zeitpunkt liegt ein Vorhaben iS des Vorangeführten vor, da es sich um ein nach dem EU-V durchzuführendes Verfahren handelt. Die darauf folgenden Verhandlungen mit dem antragstellenden Staat können nur gleichermaßen als Vorhaben der EU qualifiziert werden.