Wien - Ein Augenblick dauert, wie Wissenschaftler herausgefunden haben wollen, rund zwei Sekunden, ein Moment natürlich kürzer. Aber wie lange dauert "gleich"? Dieser nicht ganz neuen Frage geht Gerold Rudle nach, den man einfach lieb haben muss, weil er das Plüschtier unter den heimischen Kabarettisten ist:

In seinem neuen Soloprogramm mit dem viel versprechenden Titel Streicheleinheiten stellt er, auch nicht gerade neu, fest, dass die Dauer des "Gleich" vom Sender der Botschaft ("Ich komme gleich!") in der Regel anders empfunden wird als vom Empfänger. Die Person, die sich "gleich" zum Tisch zu setzen verspreche, verstehe darunter, dass sie erst dann komme, wenn das Essen bereits kalt ist.

Der falschen Hoffnung, nach der "gleich" wirklich "in unmittelbarer Zukunft" bedeutet, saß man auch im Vindobona auf: Die Pause, bei Kabarettprogrammen in der Regel nach 50 Minuten, maximal einer Stunde, kam eben nicht gleich: Rudle, der eigentlich simple Sachverhalte und Beobachtungen des Alltagslebens mit Beispielen bis zum Gehtnichtmehr überillustriert, wollte partout zu keinem Ende finden. Trotz der Belanglosigkeiten, die er, politisch überkorrekt und grünangehaucht, erzählte.

Fast war man geneigt, ihm Respekt zu zollen: Es schien, als pfiffe Rudle auf die Pause, die dem Pächter zuliebe meist lähmend lang ist, damit der Gast brav konsumieren kann. Doch das mit dem Respektzollen hatte sich dann irgendwann: Rudle machte doch Pause. Der Pächter atmete auf.

Etwas später durfte auch der Zuschauer aufatmen: Gerold Rudle hat zwar nach wie vor kein stringentes Konzept (bis auf das wiederholte Auftauchen des Wortes "Streicheleinheiten"), aber zumindest eine Idee von gewürzter Kürze (35 Minuten). Zudem hat er, als Höhepunkt seines harmlosen Stammtischräsonierens, eine echt nette, höchst liebevoll ausgeschmückte Erzählung zu bieten: von seinem Besuch eines Hamam. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.9.2004)