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Noch-nicht-Kaiser Karl von Österreich 1914

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"Mir ist nichts fremd", erklärte letzten Sonntag nach der ersten Melange eine "Gästin" beim Demel. Ich erinnere mich an einen Satz: Die Fremdesten sind, die sich am raschesten zu Hause fühlen. Die werden aber in Österreich und seiner Hauptstadt immer häufiger.

"Kaiser Karl im Untersberg wartet aufs Ende der Welt", lernten unsere Kinder in der Volksschule in Großgmain, schräg unter dem Untersberg. Der Vers ging noch weiter: "Er weiß, dass er seinen Lohn erhält am Ende der Welt." Davon war auch der bisher vorletzte der ziemlichen unsäglichen Karls vor allem überzeugt. Kein Schatten, kein Spiel, nur Dummheit.

In einem Magazin liest man: "Kaiser Karl und der Wahn". Aber wie oft und wie entscheidend hat sich der Wahn mit Idiotie gepaart? Kaiser Karl, der "Giftgas-Charlie", wird nach der Seligsprechung vermutlich auch noch heilig gesprochen. Das obligate Seligsprechungswunder war keine Hürde: Eine brasilianische Nonne (Diagnose: Krampfadern) wurde angeblich geheilt. Die "Kaiser Karl Gebetsliga" soll sich nun um die Heiligsprechung kümmern. Welches Wunder soll noch geschehen?

Im DuMont Reiseführer Madeira (mildes Klima, üppige Vegetation, schroffe Gebirgszüge, weißsandiger Strand und wüstenähnliche Landschaft) ist Kaiser Karl nach einem Gemälde von Gräfin Stürckh abgebildet, er hatte wie immer Glück, starb früh genug, weitere kostspielige und gefährliche Idiotien wurden verhindert. Zita verbrachte ihre Tage nach Karls Tod in einem Altersheim in der Schweiz, ehe sie wieder nach Österreich einreisen durfte, starb siebenundneunzigjährig und wurde in der Kapuzinergruft beigesetzt.

Als Kinder gingen meine Schwester und ich jeden Sonntagvormittag in die Kapuzinergruft. "Dort ist es doch immer so schön", sagte unsere Mutter und war uns für den Rest des Vormittags los. Aber ich würde heute nur im äußersten Fall der drückendsten Sonntagvormittagslangeweile noch einen Besuch dieser Gruft riskieren. "Kinder, Kinder, dort geht die Schratt", rief uns damals der Kapuziner und Gruftführer nach, sobald er mit seiner Führung und den ehrfürchtig geleierten Details am Ende war.

"Da kann man nichts machen", sagt Thomas Bernhard prophetisch, blättert in El País und feixt darüber hinweg. Unter "Gesundheit" steht in der Krone der "Notarzt für Gehörlose", unter "Bürgerdienst" die "Kummernummer für alle Baustellenopfer". Die Entscheidung fällt schwer, aber die Kaiserseligkeit am Sonntag in Rom und der Besuch seiner Sterbeinsel fallen als Alternative aus. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.10.2004)