80 Jahre alt wurde das Radio in Österreich dieser Tage und kann seine Stärken bei der Hörerschaft nach wie vor ausspielen. Gedanken über die Zukunft sollte man sich in diesem ehrwürdigen Alter aber trotzdem machen. Wird das Radio "Vom Sender zum multimedialen Serviceunternehmen"? Dieser Frage ging am Freitagnachmittag ein ORF-Symposium nach. Für ORF-Radiodirektor Kurt Rammerstorfer liegt auf der Hand, dass das Radio als "omnipräsentes" Begleitmedium "aufgefordert ist, sich neu zu erfinden". Kein Zweifel besteht auch darin, dass die Zukunft des Radios digital ist - irgendwie.

Digital Audio Broadcasting, kurz DAB, lautet schon seit geraumer Zeit die digitale Formel für das Radio der Zukunft. Doch obwohl seit über 20 Jahren daran gearbeitet wird, vegetiert DAB in weiten Teilen Europas derzeit eher als lebende Leiche dahin, war den Schilderungen von Josef Trappel vom Zentrum für Wissenstransfer und angewandte Medienforschung an der Uni Zürich zu entnehmen. Über 600 Millionen Euro wurden seit 1981 investiert, die Technologie sei eigentlich schon wieder veraltet. Durchgesetzt habe sie sich noch kaum. Lediglich in Großbritannien werde wohl zu Jahresende die "magische Grenze" von einer Million digitaler Empfangsgeräte überschritten werden. Was Trappel doch noch hoffen lässt: "DAB lebt", verkündete er.

Keine DAB-Impulse

Der ORF aber will sich an etwaigen lebenserhaltenden Maßnahmen vorerst nicht beteiligen, betonte dessen technischer Direktor Andi Gall. "Der ORF wird in absehbarer Zeit keine DAB-Impulse setzen können oder wollen." Digitale Wege beschreiten die ORF-Radios dennoch, versicherte er. Man setze auf verstärkte Services wie Ö3-Verkehrsnachrichten via SMS und Navigationssystem, Online-Plattformen und Ähnliches.

Keine Scheu vor Investitionen in DAB hat die britische BBC an den Tag gelegt. Angebot erzeugt Nachfrage, war dort die These. Fünf neue digitale Radiokanäle wurden 2002 eröffnet - und die Leute wollen sie hören, berichtete Chris Kimber von der BBC. Das erweiterte Angebot sei der Hauptkaufanreiz für neue Empfangsgeräte gewesen. Neben der größeren Angebotvielfalt liegen die entscheiden Vorteile des Digitalradios für Kimber auch in der Möglichkeit, "Kontrolle" über Inhalte auszuüben - Stichwort "radio on demand" - oder in erweiterten Services wie Zusatzinfos via Radiotext. Verdienen möchte die BBC mit ihren digitalen Aktivitäten nichts, versicherte Kimber. Schließlich gehe es um Service für die Gebührenzahler.

"Eher wurscht, wenn es mal rauscht"

Gall ist überzeugt, dass den Medienkonsumenten beim Radio der Inhalt vor die Übermittlungsqualität geht. Dem Großteil der Radiohörer sei es "eher wurscht, wenn es mal rauscht". Die unbestrittenen Stärken des Mediums unterstrich der Meinungsforscher Rudolf Bretschneider und relativierte die bisweilen herabsetzend gemeinte Qualifizierung als "Begleitmedium": "Was gibt es denn Schöneres als einen geschätzten Begleiter?" Etwas zu viel Begleitlärm im heutigen "akustischen Umfeld" ortete indes die Kommunikationswissenschafterin Irene Neverla. "Wir leben in der Ära des unbegrenzten Sounds", so ihre Diagnose. "Es droht die 'Phonopollution', die akustische Umweltverschmutzung." Das Radio in seiner Ausformung als "Dudelfunk" trage dazu bei - die Sender müssten um eine "Kultur des Horchens" bemüht sein, mahnte sie. (APA)