Albert Lortzings "Der Wildschütz" am Grazer Opernhaus tappt in die Klischeefalle
Redaktion
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Als Albert Lortzings Der Wildschütz 1842 uraufgeführt wurde, positionierte er sich als gesellschaftskritische Komödie, in der Machtverhältnisse raffiniert verwischt werden. Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Lehrers Baculus (sehr treffend: Wilfried Zelinka) vom Grafen von Eberbach (gute Bühnenpräsenz: Alexander Puhrer) existiert so nicht mehr, die Angst um die Existenz (Jobverlust) ist jedoch aktuell.
Was macht Regisseur Michael Schilhan nun aus dieser Parallele? Nichts. Man präsentiert Biederes mit Schenkelklopfer-Gags, wodurch wohl das Gegenteil von dem erreicht wird, was dem Stück an bitterem Witz einst anvertraut wurde. Hier tappt man in die Klischeefalle. Alles ist bunt, die Gesten sind überzeichnet, das Publikum lacht. Das von Lortzing so intelligent thematisierte Aufbrechen von sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität wird hier insofern wieder einzementiert, als Schilhan erst gar nicht versucht, dieses differenziert herauszuarbeiten. Das geschlechtliche Andersseinkönnen wird nur für flache Witze benutzt.
Bleibt noch die Musik. Karel Mark Chichon hätte der Szene etwas an Drive zurückgeben können. Doch es fehlt an Tempo. Zu gemächlich und viel zu zahm tönt es. Knackige Sforzati knallen nicht, die Tanzrhythmen kommen nur zäh in Schwung. Ein Plus ist die Ensembleleistung. Dieses besitzt keine echten Schwachpunkte: Neben Zelinka und Puhrer sind hier Margareta Klobucar als sich von der Frau zum Mann und wieder retour wandelnden Baronin Freimann, Sonja Borowski-Tudor als affektierte Gräfin und Dorit Machatsch als lieblich-selbstbewusstes Gretchen hervorzuheben. (spou/DER STANDARD, Printausgabe, 05.10.2004)
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