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Wolfgang Neugebauer

foto: apa/schlager
Wien - Wenn sich Wolfgang Neugebauer mit Ende November von der wissenschaftlichen Leitung des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes (DÖW) zurückzieht, kann er auf mehr als 20 bewegte Jahre in dieser Position zurückblicken. Neben zahlreichen zeithistorischen Großprojekten und wissenschaftlichen Publikationen gab es auch viele - oft gerichtliche - Auseinandersetzungen, vor allem mit der FPÖ. Diese erwähnt er heute allerdings weniger gern, auch wenn er nie verurteilt worden ist. Am Samstag feiert Neugebauer seinen 60. Geburtstag.

Der Grund dafür: In der Öffentlichkeit haben diese Streits nur allzu oft die Forschungsarbeit des DÖW überlagert. Bei allen Kontroversen um das Archiv - immer wieder ist beispielsweise versucht worden, dieser Institution kommunistische Unterwanderung zu unterstellen - eines wurde immer betont: Es ist eine Forschungseinrichtung, wie Neugebauer nicht müde wird zu betonen.

Vater in SS-Division

Natürlich könnte man behaupten, Neugebauers Tätigkeit sei in Zusammenhang mit seiner Familiengeschichte zu sehen. Sein Vater diente in der SS-Division "Das Reich". Der DÖW-Leiter war beispielsweise sehr erleichtert, als er erfuhr, dass sein Vater in der Junkerschule Bad Tölz zur Ausbildung war, während seine Einheit im Sommer 1944 im französischen Oradour ein Massaker an 600 Zivilisten verübte. Gleichzeitig war sich Neugebauer immer sicher, dass er den selben Weg gegangen wäre, hätte es diesen familiären Background nicht gegeben.

Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind vielfältiger Natur: Widerstand und Verfolgung in Österreich 1934 bis 1945, NS-Justiz, NS-Euthanasie, Rechtsextremismus, FPÖ und Geschichte der Sozialdemokratie finden sich auf der Homepage des Dokumentationsarchivs (www.doew.at). Dementsprechend spielte er auch eine wesentliche Rolle bei der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. In seine Ära als Leiter fallen Projekte wie die namentliche Erfassung der Holocaust-Opfer oder die Erfassung der Opfer des Wiener Spiegelgrundes, der Kinder-Euthanasie-Station.

Publikationen

Entsprechend vielfältig ist auch die Liste seiner Publikationen: So war er 2002 Mitherausgeber von "Von der Zwangssterilisierung zur Ermordung. Zur Geschichte der NS-Euthanasie", Teil II. Zwei Jahre vorher fungierte er ebenfalls als Mitherausgeber von "NS-Herrschaft in Österreich. Ein Handbuch", genauso bei "Wahrheit und Auschwitzlüge. Zur Bekämpfung 'revisionistischer' Propaganda" aus dem Jahr 1995.

Feder führend war Neugebauer auch beim Handbuch des Österreichischen Rechtsextremismus beteiligt, das 1993 erstmals erschien. Seine Veröffentlichung stellte zugleich einen Höhepunkt der Auseinandersetzung zwischen FPÖ und DÖW dar. Das Cover zeigte zunächst den damaligen FPÖ-Obmann Jörg Haider unter der deutschen Reichskriegsflagge. Haider erwirkte schließlich einen Beschluss, dass das Buch nicht mehr mit diesem Cover erscheinen dürfe. Als "persönliche Niederlage" empfand Neugebauer 2000 die Regierungsbeteiligung der FPÖ, auch wenn sich seine Mutmaßungen vom unaufhaltsamen Aufstieg der Partei nicht erfüllten.

Neugebauer, am 9. Oktober 1944 in Wien geboren, wurde bereits während seines Studiums der Geschichte und Geographie mit der Durchführung kleinerer wissenschaftlicher Arbeiten für das DÖW betraut. Ab 1970 war er Mitarbeiter, seit 1984 wissenschaftlicher Leiter der Einrichtung. (APA)