Brüssel - Die Empfehlung der EU-Kommission über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei basiert auf zwei Berichten. Es sind dies der rund 160-seitige planmäßige Fortschrittsbericht über die Türkei von 2004 und eine eigene 54-seitige Folgenstudie mit dem Titel "Fragen im Zusammenhang einer möglichen Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union". Im Folgenden Wortlautauszüge aus dem Fortschrittsbericht laut einer APA-Übersetzung aus dem Englischen.

Folter: "Was die zivilen und politischen Rechte betrifft, wurden beachtliche Fortschritte für die Verstärkung des Kampfes gegen Folter und Misshandlungen gemacht, besonders durch die Abschaffung der Isolationshaft und die Verbesserung der Regeln für die Untersuchungshaft, Zugang zu einem Anwalt und medizinische Untersuchungen. Allerdings werden Häftlinge nicht immer von den Exekutivorganen über ihre Rechte informiert. Die Behörden verfolgen eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Folter, und es wurden rechtliche Regelungen geschaffen, um die de facto Straflosigkeit der folternden Personen zu limitieren. Durch das neue Strafgesetzbuch werden solche Täter strenger bestraft. Obwohl die Folter nicht mehr systematisch ist, kommt es weiterhin zu zahlreichen Fällen von Folter und speziell Misshandlungen, und es wird weiterer Anstrengungen bedürfen, um diese Praxis gänzlich zu beseitigen."

"Die Null-Toleranz-Politik der Regierung und ihre ernsthaften Anstrengungen zur Implementierung der legislativen Reformen hat zu einem Rückgang der Folterfälle geführt. In den ersten sechs Monaten 2004 erhielt die 'Turkish Human Rights Association' 692 Beschwerden in Bezug auf Folter, ein Rückgang um 29 Prozent gegenüber den ersten sechs Monaten 2003. Allerdings hat die Beschwerdezahl bezüglich Folter außerhalb formeller Hafteinrichtungen gegenüber 2003 beträchtlich zugenommen. Von allen vorgeworfenen Fällen von Menschenrechtsverletzungen, die die 'Human Rights Presidency' zwischen Jänner und Juni 2004 erhielt, fiel ein signifikanter Teil unter 'Folter und Misshandlung', was darauf hindeutet, dass eine solche Praxis weiter ein Problem ist.

Bezüglich den Kampf gegen die Straflosigkeit wurden laut offiziellen Statistiken von 2.454 Exekutivbeamten, die 2003 in Zusammenhang mit Folter- und Misshandlungsvorwürfen angeklagt wurden, 1.357 freigesprochen. Von den 854 Verurteilten wurden 138 inhaftiert. ... In einigen Fällen konnten Angeklagte die Teilnahme Gerichtsverfahren über viele Jahre vermeiden, so dass es zu Verjährungen kam. Es besteht weiter Sorge, dass die Ankläger trotz Reformen nicht immer promt und angemessen Untersuchungen gegen wegen Folter angeklagte Beamte durchführen."

Menschenrechte: "Die Türkei ist den meisten relevanten internationalen und Europäischen Konventionen beigetreten, obwohl in einigen Fällen unter signifikanten Einschränkungen, und hat seine Bemühungen zur Ausführung von Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs verstärkt."

"Es wurden weitere Anstrengungen im Kampf gegen Folter und Misshandlungen unternommen."

"Es wurde ein signifikanter Fortschritt bei der Abstimmung der Rahmenbedingungen für fundamentale Freiheiten mit Europäischen Standards erreicht. Das Prinzip der Gleichstellung von Männern und Frauen wurde verstärkt und Bestimmungen für Strafreduktionen bei so genannten Ehrenmorden entfernt. Ein neues Strafgesetzbuch bringt eine weitere Abgleichung speziell in Bezug auf Frauenrechte, Nicht-Diskriminierung und den Kampf gegen Folter und Misshandlung."

"Verfassungsänderungen und ein neues Mediengesetz haben die Pressefreiheit gestärkt."

"Auch wenn die Religionsfreiheit durch die Verfassung garantiert ist, haben nicht muslimische Religionsgemeinschaften weiter Probleme ... Aleviten werden weiterhin nicht als muslimische Minderheit anerkannt."

"Bei der Implementierung von Reformen bei kulturellen Rechten hat es Fortschritte gegeben. Kurdische Sprachkurse begannen kürzlich in verschiedenen privaten Sprachschulen im Südosten der Türkei. .... Die angenommenen Maßnahmen bei den kulturellen Rechten stellen jedoch nur einen Anfang dar, denn es verbleiben beträchtliche Einschränkungen."

"Zum ersten Mal wurde ein Zivilist im August 2004 zum Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrates ernannt. Dennoch üben die Streitkräfte weiter Einfluss durch informelle Mechanismen aus."

"Das Gefängnissystem hat sich weiter verbessert, obwohl die Isolation in Hochsicherheitsgefängnissen weiter ein ernsthaftes Problem darstellt." (APA)