Die Arzneimittelhersteller steigen gegen ein neues Finanzierungssystem für den Hauptverband der Sozialversicherungsträger auf die Barrikaden. Dieses sieht aufgrund einer intransparenten Regelung zweimal jährlich Vorauszahlungen vor, die in manchen Fällen die Millionengrenze überschreiten.

§ 609 Abs 19 ASVG sieht vor, dass die in Österreich vertriebsberechtigten Unternehmen "zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit" dem Hauptverband von 2004 bis einschließlich 2006 jährlich zwei Prozent ihres mit den Krankenversicherungsträgern erzielten Arzneimittelumsatzes - über einem Sockel von zwei Millionen Euro - zu überweisen haben.

"Zwangsfinanzierung"

Aus der Sicht der Pharmaunternehmen liegt hier eine Zwangsfinanzierung für den Hauptverband vor, die nicht mit einer bloßen Rabattpflicht erklärt werden kann. Störend ist vor allem die unklare rechtliche Ausgestaltung. Handelt es sich bei den per Telefax im Juni übermittelten Schreiben um Bescheide des Hauptverbands, die Zahlungsverpflichtungen anordnen, so könnten diese hoheitlichen Verfügungen in einem Beschwerdeverfahren vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden.

Der VfGH könnte zum Schluss kommen, dass die angewendete ASVG-Regelung in maßgeblichen Punkten unvollständig und grundrechtswidrig ist. Die Belastung eines privaten Unternehmens mit allen Folgen einer möglicherweise rechtswidrigen Zahlungsverpflichtung stünde im Widerspruch zum Rechtsstaatsgebot. Ein rechtsstaatliches Verfahren auf Verwaltungsebene ist im Gesetz aber nicht vorgesehen, obwohl die Vorschreibung zweifellos in das Eigentumsgrundrecht der Unternehmen eingreift. Handelt es sich allerdings um eine private Vorschreibung, dann wäre der VfGH unzuständig.

Die bisherige Rechtsprechung zum Heilmittelverzeichnis, der Vorgängerin des derzeitigen "Erstattungskodex", deutet auf Ersteres. Der VfGH hat im Erkenntnis V 5/02 vom 10. 10. 2003, dargetan, dass dem Hauptverband "bei allen Verfügungen, die das Heilmittelverzeichnis zum Gegenstand haben, die Stellung einer Behörde zukommt". Auch jede Änderung des Heilmittelverzeichnisses ist ein hoheitlicher Akt.

Staat statt privat

Daraus schließen die Beschwerdeführer, dass auch die Vorschreibung ein öffentlich-rechtlicher Akt ist, in dem der Hauptverband den Pharmaunternehmen gegenüber mit Hoheitsgewalt auftritt und kein privatrechtliches Rechtsverhältnis, dessen Ansprüche vor Zivilgerichten auszutragen wären. Dafür spricht auch, dass die Abrechnungsregeln für die Zahlungen per Verordnung festzulegen sind.

Eine Stütze findet die Argumentation der Beschwerdeführer in Artikel 6 der Transparenz-Richtlinie 89/105/ EWG. Diese legt fest, dass Entscheidungen zur Aufnahme in eine Positivliste - und das Heilmittelverzeichnis ist eine solche (vgl. EuGH C-424/99 vom 27. 11. 2001, Kommission gegen Österreich) - das Ergebnis von "Verwaltungsverfahren" sein müssen. Artikel 1 Abs 1 Transparenz-RL besagt, dass "alle einzelstaatlichen Maßnahmen in Form von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften (. . .) zur Einschränkung der unter ihre staatlichen Krankenversicherungssysteme fallenden Arzneimittel" unter diese Richtlinie fallen.

Inhaltliche Überprüfung

Da die Vorauszahlungen vom Umsatz der vertriebsberechtigten Unternehmen mit den Krankenversicherungsträgern, also jener Arzneimittel, die im Erstattungskodex angeführt sind, erhoben werden, gibt es sowohl nach nationalem als auch nach dem EU-Recht Gründe, dass über die Höhe der Zwangsfinanzierung ein Verwaltungsverfahren abzuführen ist. In einem derartigen Verfahren, das mit dem Heilmittelverzeichnis (nunmehr "Erstattungskodex") zusammenhängt und in dem es um stattliche Summen geht, müsste eine inhaltliche Überprüfung vorgesehen werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.10.2004)