+++Pro von Karl Fluch

Pausen waren mir einst Eilande im Alltag. Temporäre Oasen der Erbauung vor der nächsten Prüfung, die das Leben für einen bereithält. Solange man sich nicht in ihnen befindet, freut man sich darauf. Haben sie einmal begonnen, naht auch schon ihr Ende. Deshalb bedeutete etwa die große Pause in der Schule zwar, endlich einmal in Ruhe eine durchziehen zu können und sich dieserart jene Entspannung zu gönnen, die einem die besten der harten Männer wie, sagen wir, Robert Mitchum vorlebten.

Zugleich verkündete die sekündlich kürzer werdende Pause auch das Nahen elementarer Irrtümer wie Mathematik (die Pfeilrechnungen!), Chemie (angeblich alles Leben, in meinem Fall alle Sorgen) oder Physik (warum die Bewohner der Südhalbkugel nicht von der Erde fallen - mir doch egal!). Aus dieser brutalen Gesetzmäßigkeit beschloss ich auszubrechen. Und zwar mittels einer Zigarettenpause. Anstatt mich bei Wind und Wetter und unter anklagenden Blicken des Schularztes in den Hof zum Lungenschädigungsritual zu hetzen, bei dem ich mit Leidensgenossen die ewig gleichen Litaneien über das Joch der Schule verfasste, hörte ich zu rauchen auf. Einfach so.

Seitdem lebe ich in einer Zigarettenpause. Es ist eine schöne Zeit. Aus dem vergänglichen Eiland wurde ein Festland, ein Kontinent. Ich kann nachvollziehen, wie Christoph Columbus sich gefühlt haben muss. Wie der Entdecker kam auch ich ein paar Mal vom Kurs ab - und landete in kurzen Rauchpausen. Aber das war früher. Ich bin längst angekommen.

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Contra ---
von Ljubisa Tosic

Wenn Zigaretten so um die vier Meter lang wären - das wäre eine Tschikpause. Aber Rauchquickies sind nur Symptome einer existenziellen Situation, an der etwas faul sein muss - sind nur klägliche Sekundenausbrüche aus einer ungesunden Lebensbeengung. Die Lektion lernte man schon im Schulkerker. Die Pausen zwischen den Unterrichtsstunden erwiesen sich als nicht ausreichend, um demütigende Sitzfußballstunden, verwirrende Informationen bezüglich des Geschlechtslebens von Pantoffeltierchen oder jene unsere Minderbegabung offen legenden relativitätstheoretischen Gemeinheiten des Herrn Einstein auszuhalten. Eine richtige Pause musste her. Und das konnte nur ein schulfreier Tag sein, im Nachhinein legitimiert durch eine mit zigarettengelben Fingern gekonnt simulierte elterliche Unterschrift. Natürlich beginnt man als Raucher die Zigarettenpause irgendwann zu jener ersehnten Zeit zwischen zwei Rauchstängeln umzudefinieren und versucht diese Phase auszudehnen. Dann allerdings wird man gestört! Irland verbietet das Rauchen in Lokalen, Schwarzenegger in Gefängnissen. Spanien verbannt es aus Zügen. Ein Nichtraucherlokal wird in Margareten eröffnet und nun der rauchfreie Arbeitsplatz. Wir sehen Legionen gedemütigter Genussmenschen, die vor Lokalen, auf Toiletten und in Raucherkäfigen den letzten Rest von Würde verqualmen, und wir werden trotzig. Niemals! Dann schon lieber ganz aufhören. (Der Standard/rondo/15/10/2004)