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Den konsequentesten Weg, weibliche Kompetenz in den Automobilbau einfließen zu lassen, ging unlängst Volvo mit dem YCC.
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Frauenauto, feminines Design, Frau und Autodesign: Wenn man die Begriffe Frau und Auto unvorsichtig zusammenführt, entsteht sofort ein hoch explosives Gemisch aus Vorurteilen und Klischees. Zum Beispiel dieser Art: Frauen fahren lieber kleine Autos, weil sie nicht so gut einparken können. Frauen fahren lieber kleine Autos, weil die vernünftiger und g'scheiter sind. Frauen fahren lieber kleine Autos, weil die schnuckeliger sind.

Strickmuster des Marketings

Das ist natürlich objektiv haarsträubender Blödsinn, wenngleich die Masche kleines Auto gleich Frauenauto im Marketing immer noch gerne gestrickt wird. Hier sei auf die jüngste Werbekampagne des Kia Picanto verwiesen, in der damit gedroht wird, dass dieses Auto nur an Frauen verkauft würde. Böse gesagt: Ein Auto, das keine nennenswerten Talente besitzt, außer dass es billig ist, wird zuerst einmal den Frauen angeboten. Es hat natürlich einen ganz ernsthaften Grund, warum mit dem Begriff Frauenauto zuerst einmal kleine Autos in Verbindung gebracht werden. Auch wenn sich das mittlerweile ein bisschen gebessert hat: Frauen verdienen im Schnitt immer noch weniger als Männer, meist sogar für die gleiche Arbeit. Und kleine Autos sind in jeder Hinsicht eben billiger, vom Kauf bis zum Betrieb. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum die Verknüpfung von Frau und Automobil hohe Brisanz besitzt.

Hart vs. weich

Bis in ihre Grundstrukturen ist die ganze Autoindustrie heute noch organisiert wie die Waschmittelwerbung der 60er-Jahre. Da die harten Männer, dort die weichen Frauen. So sind in den Führungsebenen immer noch kaum Frauen zu finden, außer dort, wo sie nach alter Sitte immer schon waren: bei den Stoffen und Düften. Innenraumdesign, vor allem die Auswahl der Sitzbezüge ist Frauensache, und zwar bei fast allen Autoherstellern. Auch die Geruchsprüfung der Kunststoffe wird zu einem hohen Maß von Frauen durchgeführt. Eine Veränderung dieser altmodischen Strukturen wird noch lange dauern.

Neue Dimension des Themenkreises

Solange das Auto im Wesentlichen ein Produkt des Maschinenbaus ist und kaum Frauen ein Fach in dieser Richtung studieren, wird die männliche Schlagseite bleiben. Design wird ja im Deutschen unvollständig verstanden, da irgendwann einmal jemand das Wort Konstruktion falsch eingedeutscht hat. Wenn wir Design also nicht nur als oberflächliche Gestaltung sehen, sondern als gesamthafte Entwicklung eines Produkts, dann kriegt der Themenkreis Auto-Frau-Design eine neue Dimension. Man kann nämlich nicht sagen, dass es gar keine typischen Frauenautos gäbe. Nachdem es in unserer Gesellschaft immer noch eine Tendenz zu geschlechtsspezifischem Rollenverhalten gibt, existieren auch Autos, die zur einen oder anderen Rolle besser passen. Besonders schlau konstruierte Autos mit flexiblem Innenraum, also im weiteren Sinn die Minivans, werden gerne von Frauen gekauft, jedenfalls aber ausgewählt, weil es damit ganz einfach leichter ist, die täglichen Wege mit Kind und Kegel zurückzulegen.

Ernst genommen

Renault etwa ist unter anderem deshalb so erfolgreich, weil keine andere Autofirma die Frauen so ernst nimmt. Auch wenn sich schlussendlich in den Produkten die ganze emanzipatorische Schieflage widerspiegelt, immerhin geht man auf die momentane Situation der Frauen stärker ein als andere, Stichwort kompakte Minivans. In diesem Segment schafft es auch Mercedes, obwohl alles andere als billig, einen ungewöhnlich hohen Anteil an Käuferinnen zu begeistern. Der Frauenanteil in der kompakten A-Klasse liegt bei immerhin 40 Prozent. Die Tatsache, dass Frauen im Alltag andere Ansprüche an Autos stellen, dass Frauen sehr oft vernünftigere Autos kaufen als Männer, bedeutet aber ganz und gar nicht, dass Frauen nicht mindestens so kühne Träume von tollen Automobilen hätten. Am Erfolg der meist recht unpraktischen Cabrios sind weibliche Käuferinnen ganz entscheidend beteiligt. Und ganz gegen das herrschende Klischee, Frauen würden sich in großen Autos unwohl fühlen, ist inzwischen belegt, dass die riesigen Sports Utility Vehicles à la Porsche Cayenne oder BMW X5 gerade bei Frauen sehr beliebt sind. Es ist nicht nur der tolle Überblick. Der mächtige Auftritt auf der Überholspur, der oft bis an den Rand der Gewaltausübung gegenüber schwächeren Verkehrsteilnehmern reicht, reizt Frauen genauso. Menschen, die dazu neigen, rücksichtslos über andere drüberzufahren, gibt's auf beiden Seiten, die Frage ist nur, ob mann / frau sich das nötige Gerät dafür leisten kann.

Schlechte Karten

Die gefährlichste Dimension erreicht die Thematik für den Autohersteller aber, wenn das Design selbst zu weiblich ist. Dann kann es nämlich passieren, dass sich das Auto ganz schlecht verkauft, dass sich weder Frauen noch Männer dafür interessieren. Genau so ein Fall ist beim Sportwagen BMW Z3 eingetreten. Trotz phallushafter Motorhaube waren die Linien zu rundlich. Erst das subtile Hineinbügeln von Spannungsfalten im Rahmen der Modellpflege brachte den Verkauf in Schwung.

Erfolgreiches Concept Car

Den konsequentesten Weg, weibliche Kompetenz in den Automobilbau einfließen zu lassen, ging unlängst Volvo. Man ließ ein Concept Car entwerfen, und zwar ausschließlich von Frauen. Dazu wurden zusätzlich 400 Frauen auf ihre Meinungen abgeklopft, um erst einmal die Fragen nach dem idealen Auto richtig zu formulieren. Und das Ergebnis sieht ganz und gar nicht so aus, als ob gleich Barbie damit losbrausen würde. Das andere Auto, das YCC, also Your Concept Car genannt wird, zeichnet sich durch zwei auch von Männern nicht ganz unerwartete Eigenschaften aus: sportlich und praktisch, wobei das Auto damit auch nicht gerade neu erfunden wurde inklusive der mächtigen Flügeltüren und des variablen Innenraums. Konsequentes Zugehen auf die weibliche Klientel kann sich durchaus bezahlt machen, siehe Renault Twingo, der aufgrund seines Bärli-Designs mit großer Skepsis begrüßt wurde und nun seit zwölf Jahren äußerlich praktisch unverändert gebaut wird. Kein Auto, außer VW Käfer und Citroën 2CV, hat sich jemals so lange so tapfer designerische Haltung bewahrt wie der Twingo.

Der Begriff Frauenauto ist deshalb so übel besetzt, weil er meist dann benützt wird, wenn von Unzulänglichkeiten die Rede ist, entweder seitens der Lenkerin (kann mit einem großen Auto nicht einparken) oder seitens des Automobils (klein und billig). Gleichzeitig wird es aber immer wichtiger, Frauen direkt anzusprechen, denn mit der Verringerung der Einkommensunterschiede steigt auch der Bewegungsspielraum der Frauen beim Autokauf. Und Ernstnehmen ist immer noch das beste Rezept. (Rudolf Skarics/ D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 15.10. 2004)