Kommunikative Küche
Ausgerechnet ein Mann, der Designer Otl Aicher, nahm sich 60 Jahre später wieder die Küche vor. Zwar war zuvor schon der Esstisch aus seinem Exil zurückgekehrt, aber Aicher genügte das nicht. Er hatte sich immer geweigert, Produkte zu entwerfen. Gestaltung war für ihn eine viel grundsätzlichere Aufgabe, die ein ganzes Lebensumfeld mit einschließen muss, sei es bei den Olympischen Spielen in München, für die er Piktogramme entwarf, oder beim Corporate Design für die Lufthansa. Ergebnis seiner Überlegungen zur Küche war ein wunderbares, in mehreren Auflagen nachgedrucktes Buch: Die Küche zum Kochen - Das Ende einer Architekturdoktrin.
Otl Aicher hat die ideale, kommunikative Küche weder speziell für Männer noch für Frauen entworfen. Aber er hat das Korsett der Nachkriegsküchen endgültig abgestreift, in dem durchschnittlich mehr Frauen als Männer eingesperrt waren. Nur hat sich Aichers freistehender Arbeitstisch mit einem Loch für Bioabfälle bis heute nicht durchgesetzt.
Namenlos, aber männlich
Dass gegenwärtig die dritte Revolution in der Küche stattfindet, hat daran nichts ändern können. Die Revolutionäre sind namenlos, aber männlichen Geschlechts. Als Branco Poljakovic als Küchenberater anfing, das war vor elf Jahren, "kamen die Frauen zum Auswählen und die Männer später zum Zahlen", erinnert sich der Geschäftsführer des Dan-Küchenstudios in Wien-Favoriten. Seit drei bis vier Jahren sei das Verhältnis von Männern und Frauen unter seinen Kund/innen etwa gleich. Aber die Bedürfnisse sind unterschiedlich. Männer seien mehr an Technik interessiert, Frauen eher daran, ob die Küche gut sauber zu halten ist. Was wohl bedeutet, dass immer mehr Männer kochen, es bei den Frauen aber hängen bleibt hinterher aufzuräumen.
Anpassung/en
Im Bulthaup-Küchenstudio am Opernring hat man ganz ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Anwesenheit der Männer in der Küche zeige sich vor allem im sprunghaften Anstieg der Arbeitsflächenhöhe. Laut Ö-Norm beträgt sie 85 Zentimeter, doch mittlerweile würden die Bulthaup-Küchen mit durchschnittlich 92 Zentimetern ausgeliefert. Auch 96 Zentimeter, wie von Otl Aicher empfohlen, der selbst nicht besonders groß war, sind keine Seltenheit. Männer, heißt es bei Bulthaup, hätten zur Küche trotz des hohen Preises ein Verhältnis wie zu einer Werkbank. 70 Prozent der männlichen Kunden wählen Arbeitsflächen aus gebürstetem Edelstahl, die selbst bei einem Gelegenheitskoch sofort verkratzen. Bei den weiblichen Kunden hingegen bevorzugen nur 30 Prozent das schön empfindliche Material.