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Alexander Lukaschenko, der "letzte Diktator" Europas

Foto: Reuters/Fedosenko
In Belarus (Weißrussland) lässt der Autokrat Alexander Lukaschenko das Parlament wählen. Gleichzeitig stimmen die Bürger über die Möglichkeit einer dritten Amtszeit für den Staatschef ab. Der Ausgang der Wahlen gilt – jenseits diverser Präsidentenwitze – bereits jetzt als sicher.

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Sonntag wählt Belarus (Weißrussland) ein neues Parlament. Entscheidender aber ist, dass sich Präsident Alexander Lukaschenko gleichzeitig mit einem Referendum eine dritte Amtszeit genehmigen lassen will. "Das Ausland macht Lukaschenko gern zu einer Witzfigur", bedauerte ein Gesprächspartner in Weißrussland gegenüber dem Standard: "In Wahrheit aber ist er schlau wie ein Fuchs."

So wie in einem der Witze, wo Lukaschenko und Russlands Präsident Wladimir Putin ihrem Volk von einem Treffen berichten, zu dem sie Gott 20 Tage vor Weltuntergang gerufen hatten. Während Putin sein Bedauern über Gottes Existenz und den Weltuntergang kundtut, tritt Lukaschenko strahlend vor die Wähler: "Gestern hat mich Gott gerufen. Es stellte sich heraus, dass ich bis zum Ende der Welt regieren werde."

Der Scherz ist nahe an der Realität: Am Sonntag lässt der so genannte letzte Diktator Europas über eine Verlängerung seiner Amtszeit abstimmen. Im Jahr 2006 müsste er nach dem Ende seiner beiden Regierungsperioden gemäß Verfassung aus dem Amt scheiden. Damit das nicht eintritt, hat Lukaschenko schon lange alle Ressourcen in Gang gesetzt.

50 Prozent aller Wahlberechtigten müssen zustimmen, einer Umfrage zufolge sind 40 Prozent der Bevölkerung dazu bereit. Schon einmal hat ein Referendum die Verfassung überstimmt, als Lukaschenko nämlich 1996 seiner ersten Amtszeit, die er 1994 mit 80 Prozent der Stimmen gewann, zwei Jahre hinzufügen ließ. 2001 ließ er sich mit 75 Prozent der Stimmen wiederwählen.

Angesichts des Referendums treten Parlamentswahlen, die gleichzeitig stattfinden, in den Hintergrund. Um die 110 Sitze bewerben sich mehrere Parteien. Diese wurden freilich nur so weit zugelassen, wie sie ungefährlich sind. Kandidaten wurden von der Liste gestrichen, deren Wohnung gestürmt, andere sitzen in Haft. Eine ordentliche Kontrolle werden auch die – viel zu wenigen – OSZE-Wahlbeobachter nicht gewährleisten können.

Traditionell gefälscht

Dass massenweise gefälscht wird, hat Tradition. Paketweise wurden Stimmzettel bei früheren Wahlen auf dem Weg zur Wahlzentrale gegen präparierte getauscht, erzählt ein Insider, der anonym bleiben möchte. Die Urnengänge haben auch schon Montag für Staatsbedienstete, Soldaten und Studenten begonnen, was Fälschungen erleichtert.

Auf postsowjetischem Raum führt Lukaschenko wohl das autoritärste Regime. Elementare Veränderungen weg vom sowjetischen System wurden nicht vollzogen. Ernst zu nehmende oppositionelle Kräfte wurden beseitigt. Die Opposition wurde gezielt gespalten. Freie Medien wurden abgewürgt, der Geheimdienst wurde Stütze des Machtmonopols.

Der ehemalige Kolchosarbeiter Lukaschenko ist von Europa und den USA isoliert. Beide freilich sind ziemlich machtlos, die jüngsten US-Wirtschaftssanktion werden wenig Folgen zeitigen. Als Ausgleich zur Westisolation demonstriert Weißrussland Nähe zu Russland, die Idee einer wirtschaftlichen und Verteidigungsunion kommt freilich so gut wie nicht vom Fleck – manche Beobachter sehen sie ohnehin nur als fiktives Instrumentarium, das je nach Situation von anderen Schwierigkeiten ablenken soll. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.10.2004)