Forschung & Geschlecht
Brustkrebs: Enttäuschte Hoffnung
Hochdosis-Chemotherapie bringt nichts
Wien/Washington/Johannesburg/Frankfurt - Patientinnen mit Brustkrebs und Wissenschafter sind eine Hoffnung
ärmer: Eine Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender Knochenmarktransplantation bringt bei Frauen mit erneutem
Auftreten oder einem sich ausbreitenden Mammakarzinom keinen Vorteil. Anders lautende Daten sind von einem
südafrikanischen Wissenschafter manipuliert worden, was einen veritablen Forschungsskandal in der internationalen
Krebsforschung ausgelöst hat.
Heißes Thema, das von den Experten sicher auch beim 1. Österreichischen Krebskongress im Wiener Rathaus am
Donnerstag und am Freitag diskutiert wird: Das "Schicksal" der so genannten Hochdosis-Chemotherapie bei
Brustkrebspatientinnen, die auch schon an Metastasen (Tochtergeschwülsten) leiden. In Österreich erkranken jedes Jahr
rund 4.600 Frauen an Brustkrebs, etwa 1.700 sterben an der Krankheit.
Unwirksam
"Wir sollten mit einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit akzeptieren, dass diese Form der Behandlung von Brustkrebs
unwirksam ist und aufgegeben werden sollte - zugunsten anderer und gut bewiesener Strategien", stellte jetzt der
US-Spezialist Marc E. Lipman vom Lombardi Krebszentrum in Washington in einem Kommentar der angesehensten
Medizin-Fachzeitschrift der Welt, dem New England Journal of Medicine fest.
Die Zeitschrift hat jetzt einen seltenen und dramatischen Schritt getan:
Das
New England Journal
veröffentlichte Online den
Kommentar und eine dazu gehörige Studie sechs Wochen vor dem eigentlichen Erscheinungstermin (13. April). Der
Grund: Das negative Ergebnis der wissenschaftlichen Untersuchung von Forschern der
Knochenmark-Transplantations-Studiengruppe in Philadelphia hat gravierende Konsequenzen für die Behandlung von
Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs.
Der Hintergrund:
Jahrelang hatte eine ultra hoch dosierte Behandlung mit Zytostatika bei solchen Schwerkranken als
möglicher Rettungsanker gegolten. Dabei "killten" die Ärzte buchstäblich das Knochenmark der Betroffenen - hoffentlich
samt den Krebszellen des Tumors. Dann wurde eine Knochenmarktransplantation zur Wiederherstellung des
Knochenmarks und der Blutbildung durchgeführt.
Doch die neue wissenschaftliche Untersuchung aus den USA bläst der Hoffnung das Lebenslicht aus:
89 Patientinnen mit
fortgeschrittenem Brustkrebs waren mit einer konventionellen und schonenderen Chemotherapie behandelt worden. 110
Frauen aber hatten eine Hochdosis-Behandlung mit den "schärfsten Waffen" an Zytostatika bekommen.
Das Knochenmark der Patientinnen wurde irreversibel geschädigt. Dadurch versagte ihre Immunabwehr total, ebenso die
Blutbildung. Freilich, danach erhielten die Patientinnen Blutstammzellen, die ihnen vor der Chemotherapie abgenommen
worden waren. Sie sollten das Knochenmark wieder aufbauen. Der Preis dafür aber war die vorübergehende Todesgefahr
zumindest durch die Immunschwäche.
Die große Enttäuschung:
- Nach drei Jahren zeigten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den konventionell und den besonders
aggressiv behandelten Frauen. In der ersten Gruppe waren noch 38 Prozent am Leben, in der Hochdosis-Gruppe 32
Prozent.
- Der Zeitraum bis zum Fortschreiten der Erkrankung betrug in der Hochdosis-Gruppe 9,6 Monate und in der
Vergleichsgruppe neun Monate. (Wolfgang Wagner/APA)