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Schauplatz Wien: IAEO-Chef Mohamed ElBaradei und Irans Vizepräsident Reza Aghazadeh bei der jüngsten Generalkonferenz der Atomenergiebehörde.

Foto. Reuters/Prammer

Irans Nuklearanlagen

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UN-Generalsekretär Kofi Annan.

Foto: APA/EPA/MATT CAMPBELL
Der zwischen dem Iran und den USA schwelende Atomstreit wird von Beobachtern als der zurzeit relevanteste Konflikt überhaupt bezeichnet. Die internationale Gemeinschaft ist in einer Zwickmühle: Niemand will ernsthaft, dass der Iran die Fähigkeit erwirbt, Atomwaffen zu bauen. Aber ebenso kann man nicht wollen, dass die USA militärisch unterbinden, worauf der Iran nach internationalen Verträgen das Recht ableitet: den Erwerb des vollen nuklearen Brennstoffzyklus, der ja auch friedlich genutzt werden kann.

Wohin es beim Irak geführt hat, dass die USA ihre Eindämmungspolitik der 1990er-Jahre zugunsten "kreativer" Lösungen aufgegeben haben, weiß man bereits. Was los sein wird, wenn der Iran mit einer Bevölkerung von mehr als 70 Millionen destabilisiert oder in eine militärische Auseinandersetzung verwickelt wird, will man sich gar nicht vorstellen. UNO-Generalsekretär Kofi Annan warnte demgemäß am Wochenende in einem Interview die USA vor einem Militärschlag: "Ich möchte darüber gar nicht erst nachdenken", sagte er.

Zeitgewinn

Die gute Nachricht ist, dass die Europäer diesmal aktiver sind als vor dem Irak-Krieg. Als voriges Jahr die iranischen atomaren Ambitionen - ein nicht deklariertes Urananreicherungsprogramm - bekannt wurden, bemühten sich die EU-3 (Großbritannien, Frankreich, Deutschland) erstmals um einen Kompromiss. Die Erklärung von Teheran vom Oktober 2003 bedeutete einen Zeitgewinn für alle, wobei dies für die Gegner des Iran, allen voran Israel, keine gute Nachricht ist: Demnach bleiben nur mehr wenige Monate, um das Vorhaben der Iraner zu stoppen, jene Technologien zu meistern, die das Land Atomwaffen näher bringen würden. Wobei Teheran hoch und heilig schwört - es gibt Fatwas (islamische Rechtsgutachten), die Atomwaffen für verboten erklären -, keine militärische Nutzung zu beabsichtigen.

Agenda Machtwechsel

In den USA glaubt man das eben so wenig wie in Israel - wobei beiden Ländern eine eigene Agenda unterstellt werden kann: der Wunsch nach "regime change" im Iran. Der Irak lässt grüßen - die Europäer reagieren allergisch. Die USA scheiterten deshalb auch im September beim Versuch, die Atomenergiebehörde (IAEO) - dem nuklearen "Wachhund" über diejenigen Länder, die den Atomwaffensperrvertrag (NPT, Non Proliferation Treaty) unterschrieben haben - dazu zu bringen, die Iran-Frage an den UNO- Sicherheitsrat weiterzuleiten. Vom Gang in den Sicherheitsrat halten die Europäer unter anderem deshalb so wenig, weil er auch im Fall Irak nichts gebracht hat: Im Gegenteil, er war nur eine Eskalationsstufe, die den USA zur Beschaffung von Pseudolegalität für ihren Krieg diente.

Skepsis

Noch ist etwas Zeit bis zum entscheidenden Termin: Am 25. November läuft die Frist ab, die die IAEO dem Iran gesetzt hat, alle seine atomaren Angelegenheiten zu klären. Wieder bemühen sich die EU-3 darum, den Iran zur Erfüllung aller Forderungen zu bringen: alle Aktivitäten, die mit der Anreicherung zu tun haben, einzustellen. Die USA sehen skeptisch zu, immerhin gibt es aber gemeinsame Absprachen. Was der Preis sein könnte, mit dem Teheran der militärisch nutzbare Teil seines Programmes "abgekauft" werden soll, ist unklar, wahrscheinlich gehört eine europäische Garantie dazu, dem Iran nukleare Brennstäbe zu liefern, damit er diese nicht selbst herstellen muss. Dazu müsste aber Teheran aber Vertrauen in die EU-3 haben, was derzeit nicht der Fall ist.

Noch zeigt der Iran keinerlei Anzeichen von Einlenken: Man habe das Recht auf die Technologie, sie sei Teil der nationalen Sicherheit. Die Frage nach dem Besitz des Brennstoffzyklus für NPT-Unterzeichner geht aber über den Anlassfall hinaus, sie wird prinzipiell zu klären sein: 2005 ist wieder ein Revisionsjahr für den 1970 in Kraft getretenen Vertrag. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 18.10.2004)