Eine Hiobsbotschaft zieht die andere nach sich: Während in den vergangenen Tagen Unternehmen in Deutschland den Abbau von insgesamt 18.000 Stellen verkündeten, warteten am Dienstag die Wirtschaftsforscher mit einer weiteren Negativmeldung auf. Der Aufschwung in der Bundesrepublik ist vorbei, noch ehe er richtig begonnen hat.

Heuer soll ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent erreicht werden, nächstes Jahr nur noch 1,5 Prozent. In ihrem Frühjahrsgutachten gingen die Institute noch von zwei Prozent aus. Die Gründe für die Rücknahme der Prognose: der hohe Ölpreis und das Abflauen der hohen Exporte. Außerdem springt die Binnenkonjunktur nicht an.

Hohe Arbeitskosten

Angesichts der weit verbreiteten Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes wird vor allem bei größeren Anschaffungen gespart. So kämpfen VW und Opel, die die Mittelklasse für die breite Masse herstellen, mit Absatzschwierigkeiten in Deutschland. Dazu kommen die hohen Arbeitskosten im Land.

Für internationale Konzerne wie General Motors zählen nur Zahlen und nicht Emotionen. Den Entscheidern in der US-Zentrale der Opel-Muttergesellschaft genügt ein Blick auf ihre Tabellen: Ein Arbeiter kostet im polnischen Opel-Werk Gleiwitz sieben Euro pro Stunde, in Bochum 33 Euro. Schon ein innerdeutscher Vergleich fällt zu Ungunsten von Bochum aus. Denn im ostdeutschen Eisenach bekommt ein Arbeiter nur 28 Euro pro Stunde und arbeitet drei Stunden mehr pro Woche.

Dass in der Region um Bochum insgesamt 40.000 Arbeitsplätze betroffen sind, wenn das Werk tatsächlich zugesperrt werden sollte, ist den Managern in Detroit herzlich egal. Dass das Ruhrgebiet bereits einen dramatischen Strukturwandel durch den Niedergang des Bergbaus und der Stahlindustrie hinter sich hat, kümmert sie nicht.

Das wissen die Arbeiter in Bochum und setzen gleich ihre stärkste Waffe ein: durch Arbeitsniederlegungen auch andere Werke von General Motors in Mitleidenschaft zu ziehen. Sie nutzen damit die Auswirkungen der Globalisierung für sich aus, so wie es die Konzerne tun: Fabriken werden einfach dorthin verlagert, wo die Arbeitskosten niedriger und der potenzielle Absatzmarkt größer ist - nach Polen oder Portugal.

Die polnischen Arbeiter könnten die nächsten sein

Die Beteiligung in Opel-Werke am europaweiten Aktionstag war wie in Wien eher auf das Höflichkeitsmaß reduziert. Arbeiter in Polen, Belgien oder Schweden sagten ganz offen, dass ihnen der eigene Arbeitsplatz wichtiger ist als Stellen in Bochum. So profitieren die Beschäftigten im polnischen Werk Gleiwitz davon, dass Teile der Zafira-Produktion aus Bochum zu ihnen verlagert werden sollen.

Aber die polnischen Arbeiter können die Nächsten sein, wenn Produktionen etwa ins Baltikum verlagert werden, wo die Arbeitskosten noch niedriger sind. Es ist eine Spirale, die internationale Konzerne in Zeiten der Globalisierung nach Belieben in Gang setzen können.

In Deutschland kommt noch dazu, dass es der Wirtschaft nur gut geht, wenn der Exportmotor brummt. Die deutsche Wirtschaft ist von jener in den USA abhängig, wie die Österreichs von der in Deutschland, wohin 32 Prozent der Exporte gehen.

Verflechtungen

Nationale Regierungen können gegen diese internationalen Verflechtungen alleine wenig ausrichten, auch wenn dies Finanzminister Karl-Heinz Grasser bei seinen Auftritten in Deutschland mit Hinweis auf die niedrigere Unternehmensbesteuerung in Österreich suggerieren will. Es gibt immer Länder, die noch günstigere Steuersätze haben, auch in unmittelbarer Nachbarschaft Österreichs, wie in der Slowakei.

Als Konsequenz aus der Globalisierung, deren Schattenseiten gerade jetzt in Deutschland zu sehen sind, müssen EU-weit Initiativen zu einer Steuerharmonisierung weiter verfolgt werden. Auch die Gewerkschaften müssen die Zusammenarbeit über nationale Grenzen intensivieren, damit die Mitarbeiter eines Konzerns in verschiedenen Ländern nicht gegeneinander ausgespielt werden können. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.10.2004)