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Gegen Ende des dritten Europäischen Sozialforums in London wurde gegen den Irak-Krieg demonstriert.

Foto: Reuters
Trotz der weitaus geringeren TeilnehmerInnenzahl beim Dritten Europäischen Sozialforum – rund 20.000 AktivistInnen kamen nach London und scheuten eine der teuersten Städte wider Erwarten nicht – gab es heftige und kontroversielle Debatten. Die Themen waren ähnlich wie in Florenz und Paris: So wurde beispielsweise dem Widerstand gegen die militärische Gewalt im Irak und in Palästina viel Raum und Zeit gewidmet – auch die Abschlussdemonstration am Sonntag nahm den Irakkrieg zum Anlass. Weitere "hot topics" waren bilaterale Freihandelsabkommen der EU (EPAs), die seit dem Scheitern der WTO-Verhandlungen in Cancún einen regelrechten Boom erleben. Auch Liberalisierungen und Privatisierungen insbesondere im Bereich der öffentlichen Dienste – Stichwort GATS und Bolkestein-Richtlinie – standen im Brennpunkt des Interesses.

Bilaterale Handelsabkommen

Schon lange verhandelt die EU den Zugang zu neuen Märkten im Bereich Dienstleistungen, Landwirtschaft oder Industriegüter nicht mehr nur über die WTO. Bilaterale und regionale Handelsabkommen sind der zweite Pfeiler zur Durchsetzung der EU-Wirtschaftsinteressen. Besonderes Interesse gab es für zwei Regionen: Afrika und Lateinamerika. Mit den afrikanischen Ländern – die meisten davon zählen zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt – verhandelt die EU-Kommission seit geraumer Zeit sogenannte EPAs – Economic Partnership Agreements.

Diese wirtschaftlichen Partnerschaften sehen vor, dass zwischen der EU und diesen Ländern alle Zölle abgebaut werden und Freihandelszonen entstehen. Neben der nach außen gerichteten Strategie der EU stand auch die Bolkestein-Richtlinie, welche die komplette Liberalisierung von (öffentlichen) Dienstleistungen innerhalb der EU zum Ziel hat, im Zentrum der Debatten im Londoner Alexandras Palace. Verknüpft mit dem GATS-Abkommen gewinnt das Thema zusätzlich an Brisanz, da eine völlige Liberalisierung und Privatisierung (öffentlicher) Dienstleistungen droht und Lohn- und Kostendumping innerhalb der EU Aufwind gegeben wird.

Künftige Herausforderungen

Die Herausforderung besteht nun darin, die Protestbewegungen gegen Bolkestein und die neoliberale EU-Verfassung mit jener gegen Freihandelsabkommen der EU in und außerhalb der EU zusammenzuführen. Das dritte Sozialforum in London war einerseits ein wichtiger Meilenstein in diesem Prozess, andererseits für sich selbst genommen ein nächster Schritt. Denn nach Florenz und Paris wurden in London innerhalb der Bewegung die Vernetzungen konkreter und die Diskussionen konstruktiver – wenn auch begleitet von heftigen und kontroversiellen Debatten.

Obwohl die Sozialforen von KritikerInnen – manchmal auch zu Recht - als Festival oder Messe betitelt werden, wo AktivistInnen für Themen und ihre Ideen werben, inhaltslose Parolen schwingen und aussageleeren Megavorträgen lauschen, ist der starke Drang zu Aktionen, koordinierten Kampagnen und Bündnissen deutlich spürbar. Es ist zu erwarten, dass dieser Prozess bis zum nächsten WTO-Ministertreffen im Dezember 2005 in Hong Kong weiter an Dynamik gewinnt. Im Frühjahr 2006 jedenfalls soll der europäische Sozialforenprozess in Griechenland fortgesetzt werden.