Telekom
Jugendliche Handybesitzer im SMS-Rausch
Auch mit dem Short Message Service droht ein böses Gebühren-Erwachen
Frankfurt/Main - So schnell kommt kein Lehrer mit: Ein paar Tastendrucke, und schon ist die
Matheformel zum Handy des verzweifelten Freundes abgeschickt. Das verräterische Klingeln ist abgestellt,
das kleine Telefon meldet dem Schüler die nahende Rettung per Vibrationsalarm in der Hose. Sekunden
später blinkt auf der Handy-Anzeige der Satz des Pythagoras auf: "a#+b#=c#" (# = Quadrat) - diese
Botschaft kann wichtige Punkte bedeuten.
Was die Lehrer auf die Palme bringt, ist für viele Jugendliche der ultimative Handy-Spaß: SMS (Short
Message Service), per Mobiltelefon verschickte Nachrichten, werden zum Flirten, Verabreden oder eben
zum Schwindeln bei Schularbeiten genutzt. Wird SMS zur Sucht, droht mit der Telefonrechnung jedoch ein
böses Erwachen.
"SMS ist genial"
"SMS ist genial", meint Eva aus Frankfurt. Die 15 Jahre alte Schülerin findet immer wieder einen Anlass
für kurze Mitteilungen: Schnell das Treffen für den Milchkaffee verschieben oder ihrer besten Freundin ein
paar tröstende Zeilen schreiben, die gerade von ihrem Freund verlassen wurde. Die damit verbundenen
Kosten sind ihr egal: "Das wird bei meinem Vater abgebucht. Die Rechnungen hat er noch nie aufgemacht."
Für weniger betuchte Schüler sieht es schlechter aus. Zwar sind die Meldungen, die in Deutschland je nach
Anbieter umgerechnet zwischen rund 21 Groschen und 4,20 Schilling kosten, deutlich billiger als
Mobiltelefonieren. Wer aber monatlich hunderte Nachrichten versendet, überschreitet schnell sein
Taschengeld-Budget: "Die Hälfte, also 50 Mark (rund 350 Schilling), geht für SMS drauf", meint
Anna-Maria (19) aus Offenbach.
Kosten nicht im Griff
Gabriele Mankau vom Kinderbüro in Frankfurt, das auch eine Schuldenberatung bietet, kann von
ausufernder Nutzung ein Lied singen: "Bei uns melden sich viele Jugendliche, die neben anderen sozialen
Problemen ihre Handy-Kosten nicht in den Griff bekommen." Der ständig wachsenden SMS-Fangemeinde
rät die Expertin, ab und zu den Kostenstand beim Mobilfunkunternehmen abzufragen.
Insgesamt etwa fünf Milliarden SMS-Nachrichten wurden 1999 bei den deutschen Netzbetreibern
Mannesmann, T-Mobil, E-Plus und Viag vermittelt. Vor fünf Jahren, als die ersten Handys mit
SMS-Funktion auf den Markt kamen, waren es wenig mehr als 20 Millionen Botschaften, teilte der Verband
der deutschen Anbieter für Telekommunikation und Mehrwertdienste (VATM) in Köln mit.
"Bin wieder solo" an 10 Empfänger
Die Mobilfunk-Anbieter locken mit Sonderfunktionen: So kommen Bundesliga-Ergebnisse,
Börsennachrichten oder das persönliche Horoskop aufs Display. Bei der Telekom bezahlt man nur eine
SMS, auch wenn sie an bis zu zehn Teilnehmer gesendet wird: "'Bin wieder solo' kann ich so gleichzeitig
an zehn Mädchen schicken", berichtete Telekom-Sprecher Philipp Schindera.
Selbst die Kirche ist in der BRD inzwischen auf den SMS-Zug aufgesprungen: Die katholische Stadtkirche
in Frankfurt bietet unter dem Slogan "SMS-Fasten" während der Fastenzeit von Aschermittwoch bis
Karsamstag einen täglichen Bibelvers per SMS auf dem Handy an.
Mit zunehmenden Alter lässt die Faszination aber offenbar nach: "Das Eintippen ist mir zu umständlich, da
rufe ich lieber an", meint der 27 Jahre alte Bankangestellte Julian aus Frankfurt. Die Wiesbadenerin Katja
hat ebenfalls die Nase voll, aber aus anderem Grund: Die 17-Jährige hatte ihrem Schwarm eine
SMS-Liebesbotschaft übermittelt. Der Auserwählte antwortete prompt: "Danke. Aber ich bin schon
vergeben!" (APA/dpa)