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Gusti Wolf in der Rolle der Reiseleiterin in der 'Mozart Werke Ges.m.b.H.' von Franz Wittenbrink im Wiener Akademietheater

Foto: AP /Stephan Trierenberg
In einer Nummernrevue erprobten Burgschauspieler ihre vokalen Möglichkeiten zwischen Pop und Amadeus.


Wien – Doing! Sollten große Ereignisse tatsächlich ihre Schatten vorauswerfen, dann traf ein solches justament am Tag der Feier der österreichischen Nation mit dem seinigen das kleine Wiener Akademietheater. Als Werfer ist das Jahr 2006 auszumachen – ein ereignisgroßes, weil es genau 250 Jahre nach jenem folgt, in dem in einem Bürgerhaus in Salzburg ein großer Sohn obiger Nation das Licht der Welt erblickt und wohl auch ihr Geräusch gehört hat.

Mag Österreich, wie Musil es formuliert hat, noch immer einem Wesen ähneln, "das keinen Begriff von sich hat", so hat es doch eine umso genauere Vorstellung davon, wen es als die Größten seiner Vergangenheit anzuschauen hat. Wolfgang Amadeus Mozart hat sich hierbei als Gipfelpunkt der kulturgeschichtlichen Topografie bewährt; als kulturhistorischer Großglockner quasi, der von jedermann leichten Schrittes bestiegen werden kann.

In der Stadt, in der Mozart zwar nicht geboren wurde, immerhin aber den Tod fand, organisieren sich die Jubiläumsfeierlichkeiten 2006 in Form der "Wiener Mozartjahr Organisations-GmbH", an deren Spitze Peter Marboe umfassende kulturelle Parallelaktionen zu jenen in Salzburg oder sonstwo intendiert. Vorort und Hauptstadt, Ost und West, Frau und Mann, Vergangenheit und Zukunft trachten hier danach, ihrer vielspurigen Verbindungen bewusst gemacht zu werden, soll doch auch in der Musik Mozarts kaum weniger enthalten sein als alles, also auch all das.

Im Wiener Akademietheater erklang nun ein leises Vorbimmeln zum kapitalen Mozartschen Großglocknerläuten: Franz Wittenbrinks Singspiel über die amourösen Irrungen und Wirrungen der Belegschaft der "Mozart Werke Ges.m.b.H.". Der ehemalige Regensburger Domspatz, Müllfahrer, Klavierbauer und Musikchef des Deutschen Schauspielhauses Hamburg, mit seinen themenorientierten Liederabenden für Schauspieler ein gern gebuchter Nischenanbieter am deutschen Theatermarkt, ist auch bei seiner zweiten Wiener Produktion nach "Pompes Funèbres" seinem Erfolgsrezept treu geblieben und hat aus zahlreichen (exakt: 45) Songs eine Art Musik-Geschichte zusammengeleimt.

Lässt die Umsetzung der klingenden Klamaukiade (Regie und musikalische Leitung: Wittenbrink, Bühne: Thomas Dreißigacker) mit ihrer spießigen Slapstick-Ästhetik à la Ein verrücktes Paar bzw. der aseptischen der Dalli-Dalli-Spielwelten 70er-Jahre-Anklänge erkennen, so torkelt Wittenbrink bezüglich der Nummernauswahl durch die letzten Jahrzehnte: Britney Spears wird dabei ebenso angerempelt wie Randy Newman, Sting, Gilbert Bécaud, Udo Lindenberg und fallweise eben auch Mozart.

Pop und Rock

Manche Nummern zünden, manche nicht, das Jukebox-Prinzip des steten Wechsels überdeckt die mitunter mauen Arrangements Marke "progressiver Musiklehrer". Die Damen und Herren Burgschauspieler absolvieren ihre Pop-, Rock-, Blues-, Soul- und Klassik-Performances mit professionellem Dilettantismus – wie auch mit unterschiedlichem Erfolg. So säuselt sich Kirsten Dene mit ihrem strengen Kontra-Alt exakt so fade durch You Are So Beautiful wie durch Porgi amor; Juergen Maurer, stimmlich etwas saftiger unterwegs, gelingen die Wechsel zwischen Mozart und Rock-Art deutlich überzeugender.

Pauline Knof kriegt Quietschemaus Britney ziemlich gut hin; die Mozart-Duette mit Kollegin Hartinger wachsen sich witziger- wie ohrenschmerzenderweise zu veritablen Duellen aus. Charles Maxwell darf mit seinem glutvoll vibrierenden Counter die meisten der zahlarmen Mozart-Arien trällern: Hierbei vermengen sich akustische Reminiszenzen an Barbra Streisand, Shirley Bassey und gurrende Tauben im Hof in etwa zu gleichen Teilen.

Hängen bleibt letztlich, was aus dem Karaoke-Rahmen fällt: Smarty Denis Petkovic mit einem serbischen Volkslied, a capella, oder im intimen Duett mit Dorothee Hartinger am Flügelhorn; oder Genius Hermann Scheidleder mit einem von Wittenbrink vertonten wunderbarsten Jandl.

Schade, dass der Deutsche die Wege des Unkonventionellen zu selten ging: So verkam die "Mozart Werke Ges.m.b.H." zu einer verwechselbaren Nummernrevue, die so schnell verklang wie Schall und Rauch und die mit Wien wenig und mit Mozart eigentlich noch weniger zu tun hat. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.10.2004)