"Keine Sushis, keine Currys" und auch keine vielleicht authentischere China-Küche, sondern die "Klassiker" wie "acht Schätze", "knusprige Ente", "süß-saures Schweinefleisch" und "Rindfleisch Chop Sui" sind das Thema. Mittags gibt es nummerierte Menüs und Buffet, die Portionen sind riesig und billig, "wir wollen alles andere als ein schicker Chinese werden. Im Museumsquartier oder beim Naschmarkt hätte die Sache sicher einen anderen Impact, hier sind wir nicht im Mittelpunkt, und das gehört auch zum Projekt".
Dennoch eröffneten Jun Yang und Ngo Dong nicht einfach, sondern überlegten sich, "was das Typische am klassischen Chinarestaurant ist" und kamen auf die Regale mit den eigenartigen Asia-Devotionalien hinter der Theke, das Aquarium und die bunte Decke. Letztere hatte das alte "Tien Tsin" schon in den 80er-Jahren bekommen, die durfte bleiben, die Regale wurden flächendeckend angebracht, Tische ließ man sich extra bauen, die Sessel fand Jun in einer Schule in Freiburg, sie wurden mit chinesischen Pölsterchen versehen. Die Ironie spielt jedenfalls keine geringe Rolle im "Tien Tsin" ebenso wie ein etwas selbstbewussterer Umgang mit chinesischer Identität: Auf den Tischsets und an den Klotüren lernt man ein bisschen Chinesisch.
Und abgesehen davon, dass ohne Glutamat gekocht wird, hat hier zu essen auch mit Humor zu tun
Die süß-saure Hühnersuppe war ungefähr genauso dick und gallertig (Kartoffelstärke!) wie gewohnt, war allerdings interessanter gewürzt und besser. Die Frühlingsrolle hatte das Format einer Handtasche, voll mit frischem Kraut und Faschiertem, sehr heiß, wie's gehört, und leider auch etwas fett; knusprige Ente äußerst gut, ganz zart und ganz knusprig (€ 5,80), die "acht Schätze" - die berüchtigte Mischung aus Rind, Schwein, Huhn, Bambus, Erdnüssen, Paprika und noch mehr - schmeckte aufgrund feinerer Zutaten zwar besser als bei Vergleichs-Chinesen, wirklich toll aber immer noch nicht (€ 5,60); abends gibt es eine kleine Karte, die alle zwei Monate gewechselt wird.
Das "Tien Tsin" ruft einem also auf jeden Fall ein paar Gerichte in Erinnerung, die es wirklich nicht wert sind, zugunsten von Lachs-Sushis oder grünem Curry völlig vergessen zu werden. Und abgesehen davon, dass ohne Glutamat gekocht wird, hat hier zu essen auch mit Humor zu tun. (Der Standard/Florian Holzer/29/10/2004)