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Was der Walkman in den Achtzigern war -

Statussymbol und Inbegriff einer Geräteart - gelingt gerade dem iPod von Apple. Und noch mehr: Er beschäftigt bereits Psycho- und Mythologen.

Foto: APA/AP/Shizuo Kambayashi

Imitation ist nur eine Form der Schmeichelei

Wenn Philips einen fast kreditkartenkleinen, weißsilbrigen MP3-Player mit Display und einer Tastenanordnung, der die Quadratur des Kreises nicht recht gelingt, auf den Markt bringt, dann mag dieses Gerät zur Konkurrenz des iPod werden (obwohl die Gefahr bei einer Speicherkapazität von 500 Musikstücken nicht sehr groß ist). Vor allem aber verbeugen sich die Holländer vor den Kaliforniern. Oder wenn der HipHop-Unternehmer Damon Dash seine Musik- und Modelinie um die ebenfalls silbrigglänzende Rocbox-Geräte erweitert, dann gibt er offen zu, dass er vor allem am Stilvorsprung von Apple mitnaschen will.

Foto: Philips

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Schmeichelhaft ist auch,

dass Mitbewerber sich zur Zusammenarbeit bereit finden. So scheut sich der Computer-Konkurrent Hewlett-Packard nicht, den iPod huckepack anzubieten und Apples iTunes-Software in den eigenen Computern mitzuliefern. Das sei die Lösung, wenn sich die CDs zu Türmen stapeln. Überflüssig stehen sie noch in einer Studentenbude herum, wie doppelseitige Inserate zeigen: "You can't believe it ate the whole thing." (Noch lieber mag es Apple bekanntlich, wenn man sein drittes Standbein nutzt und die Songs um 99 Cent das Stück aus dem firmeneigenen Music Store herunterlädt.)

Foto: Archiv

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Was wir hier drastisch

vor Augen geführt bekommen: das tendenzielle Verschwinden einer kulturell-technischen Bühne. Sie begann mit Apparaten zum Abspielen von Wachsmatrizen und gipfelte in Stereo-Racks und High-End-Boxen, zwischen denen sich Platten, MCs und CDs in Regalen ansammelten - Statusobjekte noch in den Achtzigern. Statt dessen, nach der Mobilisierung durch den Walkman, kommt nun die Immaterialisierung der Klangwelt, ihre Reduktion auf eine putzige Festplatte (und bald auf Chips). Wir leben, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung konstatierte, in der Podmoderne.

Foto: APA/EPA/DPA/WERNER ROELEN

Besonders schmeichelhaft ist es also,

wenn dieses eine Produkt stellvertretend für eine ganze Gattung steht, zum Symbol wird. Die Kids meinen MP3-verdichtete Musik, und sie sagen "iPod", so wie man Nescafé sagt oder Kaffee Hag, Tesa-Band oder Plexiglas. Wo allerdings die genannten Marken Jahrzehnte gebraucht haben, um zu verallgemeinernden Begriffen zu werden, ist das kleine Gerät von Apple in knapp zwei Jahren zur Referenz aufgestiegen.(Im Bild: Die Mitarbeiter der tesa GmbH)

Foto: tesa

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Es ist auch Marktführer,

und es kann gut sein, dass noch weitere fünf Millionen Menschen zugreifen werden und damit das Urteil des Feuilletons bestätigen, dass der iPod "das erste massentaugliche Statussymbol des 21. Jahrhunderts" ist. Das aber kommt nicht von den Verkaufszahlen allein. Die Symbol-Schachtel rührt mehr und anderes an, ihre eingebaute Intelligenz räumt mit Grundsätzlicherem auf als nur mit der Unordnung in einer Studentenbude.

Foto: EPA/IAN WEST

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"iPod, Therefore i Am",

titelte Newsweek im August. Es ist ein Geisteszustand, der zunächst von der Cover-Figur, dem Apple-CEO Steve Jobs, verkörpert wird. Es beschreibt aber auch eine ganze Generation von Hörern, die mit Musik keine Plattenhülle mehr verbinden, sondern ein Angebot aus dem Computer wie Text oder Bilder; die CDs eher als Rohmaterial zum Auslagern, zum Verschicken oder Tauschen von hochkomprimierten Files sehen denn als "Tonträger" im Sinne regulär verkaufter Ware. His Master's Voice kommt dem Konsumenten heute vor wie die Statue des griechischen Diskuswerfers: historisch interessant, aber was hat ein Gerät mit Hörtrichter, vor dem ein Hund oder vielleicht ein Mensch sitzt, mit der mobilen, verflüssigten Ware von heute zu tun?

Foto: APA/AP/Paul Sakuma

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Die Digitalisierung hat zu sich selbst gefunden.

Glaubten die Musikkonzerne noch vor 20 Jahren, mit der Ablösung von Vinyl durch überteuerte Compact Discs auf ewig das große Geschäft zu machen, zeigt sich nun, dass erstens sowieso nichts ewig ist und zweitens die unerwarteten Folgen nie unterschätzt werden dürfen. In der Podmoderne verschwindet die U-, bald auch immer mehr die E-Musik in einem computergerechten Trägermedium. Was sich in ihm abspielt, ist egal, es ist ebenso für Bilder, Kalender oder sonstige Binärdaten offen. Der iPod ist eine Black Box, nur ist sie weiß: die Lieblingsfarbe ihres Designers Jonathan Ive. Er schuf die minimale Hülle, die zum Kultstatus Wesentliches beigetragen hat. Es ist, wie die Süddeutsche ein wenig sauertöpfisch registrierte, "flächentariftauglich auf Verzückung programmiert".

Foto: REUTERS/Beawiharta

Tatsächlich regte der MP3-Player

manche Besitzer bereits zu den sonderbarsten Spekulationen an. In den neuen Modellen ist eine Shuffle-Funktion einprogrammiert, eine zufällige Reihung beim Abspielen der Nummern. Amerikanische Nutzer beschäftigen sich bereits mit der Auswirkung dieser Zufalls-Hitliste auf ihre Stimmung, mehr noch: mit der umgekehrten Wirkung - von der sie überzeugt sind - ihres Gemütszustandes auf das Shuffling. "Wie konnte mein iPod wissen", fragt eine New Yorkerin aufgeregt, "dass ich gerade in diesem Moment genau diesen Song brauchte!?" Da müsse Magie im Spiel sein.

Foto: Apple

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Nicht zu unterschätzen

- und viel diesseitiger - ist die Wirkung der Werbung für den iPod. Die hält sich zwar in Österreich in Grenzen, die dadurch gezogen werden, dass die Apple-Zentrale für dieses Land kein Werbebudget vorsieht. Doch ein Blick in deutsche Magazine und erst recht in US-Zeitschriften zeigt, wie gut die Idee des Minimalen als Projektionsfläche funktioniert: das kleine weiße Gerät, die weißen Kabel zu den Ohrstöpseln. Und die schwarzen Silhouetten von sich im Rhythmus wiegenden Menschen. Black Boxes.

Foto: Archiv

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Apropos Werbung

Ziemlich schmeichelhaft ist es schließlich, wenn man einer ganz anderen Branche als begehrenswertes Symbol dient. Dieser Tage erschien eine Anzeige im Wall Street Journal Europe, die als Bild einfach einen iPod zeigt. Er verkörpert das in der Headline ausgedrückte Prinzip: "More with less". Inseriert hat die niederländische Bank ABN-AMRO.(Michael Freund/ DER STANDARD, Rondo vom 20.10.2004)

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