Bild nicht mehr verfügbar.

Die originalgetreue Nachbildung vom Schädel des ausgegrabenen Zwergenmenschen der vermeintlichen Spezies Homo floresiensis

Foto: APA/EPA/Johnny Green

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Versuch, aufgrund der gefundenen Knochen das Äußere der Zwergmenschen nachzubilden.

Foto: APA/AAP/EPA/Mick Tsikas
    Der Fund des Homo floresiensis spaltet die Anthropologen. In Wien jedenfalls glaubt man nicht, dass eine neue Spezies entdeckt wurde. Von Andreas Feiertag.

Wien/London - "Ich halte es für wissenschaftlich nicht statthaft, jetzt schon eine neue Spezies zu postulieren", kommentiert Evolutionsforscher Harald Wilfing den Fund von Überresten einer angeblich neuen Menschenart. Nach Ansicht des Vorstandes des Instituts für Anthropologie der Wiener Universität sei der Zwergwuchs der ausgegrabenen Knochen "noch kein ausreichender Grund", einen Homo floresiensis "in unseren Stammbaum aufzunehmen".

Wie berichtet, schrieb das britische Wissenschaftsblatt Nature am Donnerstag mit Homo floresiensis Schlagzeilen. Der Name dieser vermeintlichen Hominidenart leitet sich von ihrem Fundort ab: die Liang-Bua-Höhle auf der indonesischen Insel Flores. Ausgegraben wurde sie von einem Team um den australischen Anthropologen Peter Brown.

Das Faszinierende daran: Der Homo floresiensis war ein Zwerg von nur einem Meter Größe, mit einem Kopf von der Größe einer Grapefruit und einem Gehirnvolumen von lediglich 380 Kubikzentimetern. Das entspricht in etwa dem eines Schimpansenhirns, heutige Menschen bringen es auf durchschnittlich 1400 Kubikzentimeter. Er - im ausgegrabenen Fall eine Sie - ging aufrecht, fertigte Steinwerkzeuge, kam vermutlich vor 800.000 Jahren auf die Insel und soll noch vor 18.000 bis 12.000 Jahren dort gelebt haben. Dann war Schluss: wegen eines Vulkanausbruchs.

Der kleine Hobbit

Peter Brown und Kollegen glauben, dass der Zwergmensch - von den Forschern liebevoll "Hobbit" genannt - ein Abkömmling des damals schon bis zu 180 Zentimeter großen Homo erectus ist, aus dem sich der moderne Homo sapiens entwickelt hat: Mit dem Homo erectus begann vor rund 1,8 Millionen Jahren in Afrika der evolutionäre Siegeszug der Menschheit.

Die Forscher publizierten in Nature nun folgende Theorie: Ein paar Vertreter des Homo erectus habe es einst auf die Insel verschlagen. Dieses isolierte Grüppchen habe sich im Lauf ihrer Evolution an die dortige Umwelt angepasst, sei geschrumpft. Ein eingeschränktes Nahrungsangebot beispielsweise könne dazu führen, dass kleinere Vertreter mit niedrigerem Kalorienbedarf von der Evolution bevorzugt werden. Solche Vorgänge seien aus dem Tierreich bekannt: Auf Malta und Sizilien etwa hat man Überreste von rund ein Meter hohen Zwergelefanten gefunden. Sie sollen im Lauf der Jahrtausende geschrumpft sein, weil ein kleiner Körper weniger Energie verbraucht. Auch die ausgebuddelten Überreste von Stegodonelefanten, die zeitgleich mit dem Homo floresiensis auf Flores gelebt hätten, seien vergleichsweise winzig gewesen.

"Um diese Theorie zu untermauern, braucht es mehr als die paar gefundenen Knochen", erklärt Anthropologe Harald Wilfing. Und präsentiert einen anderen Grund für den Zwergwuchs: "Stoffwechselerkrankungen". Entweder genetisch bedingt und vielleicht vererbt oder aufgrund unzureichenden Nahrungsangebotes. "Das kennt man aus der Medizin, das kommt noch heute vor." Daher hätten seine Forscherkollegen auf der Insel wahrscheinlich nur einen "pathologischen Zufallsfund" gemacht.

Datierten die Knochen auf ein paar Millionen Jahre zurück, könne man ihm eine neue Spezies schon einreden. "Damals tat sich noch einiges bei den Hominidenarten", sagt Wilfing, "aber vor so kurzer Zeit?" Schon vor 160.000 Jahren sei der Homo sapiens aus der Evolution hervorgegangen. "Und schauen Sie sich doch die Variationsbreite der heutigen Spezies Mensch an: Diese reicht von knapp 150 Zentimeter großen Pygmäen bis zu zwei Meter Menschen." (DER STANDARD, Print, 29.10.2004)