Ein Dino-Vogel als Medien- und Wissenschafts-Ente: Vergangenen November publizierte die amerikanische Zeitschrift "National Geographic" - auch in deutscher Ausgabe - eine Story, wonach ein in die USA gebrachtes Fossil aus China das seit langem gesuchtes "Missing Link" zwischen Sauriern und Vögeln sei - und gab dem angeblichen Archaeopteryx-Verwandten auch gleich noch einen "wissenschaftlichen" Namen. Doch die versteinerten Überbleibsel könnten fabriziert worden sein, um deren Wert zu heben. Außerdem sollen sie illegal aus China heraus geschmuggelt worden sein. "Mai 1999. In Blanding, US-Bundesstaat Utah, biege ich zur Czerkas-Ranch ab. Dort soll ich eines der Fundstücke aus China zu sehen bekommen, von denen zu diesem Zeitpunkt nur wenige Menschen wissen. Stephen und Sylvia Czerkas, die Leiter des örtlichen Dinosauriermuseums, haben es auf einer Mineralienschau entdeckt", schrieb der Autor des National Geographic-Berichts mit vollem Impetus in der Reportage. Die Szenerie weiter: "Stephen zieht mich in ein Hinterzimmer. Hier soll ich das Tier sehen, das er später auf den Namen Archaeoraptor liaoningenis taufen wird. Ich habe schon andere Fossilien gefiederter Dinosaurier gesehen. Aber was Stephen mir jetzt zeigt, verschlägt mir den Atem: Die langen Arme und der kleine Körper schreien buchstäblich 'Vogel!'; der lange, starre Schwanz aber sagt 'Dinosaurier'!" Freilich, laut dem britischen Wissenschaftsmagazin "Nature" könnte so viel Aufregung verlorene Liebesmühe gewesen sein: "Computer-Tomographie-Tests haben gezeigt, dass der Schwanz des Fossils hinzugefügt worden sein könnte, um den Wert auf dem Schwarzmarkt zu steigern." Mittlerweile war das von dem Ehepaar für das von einem US-Mäzen gesponserte Museum bei der jährlichen Edelstein-, Mineralien- und Fossilshow in Tucson (US-Bundesstaat Arizona) im Februar 1999 um 80.000 Dollar erstandene "Beweisstück" schon auf einen Wert von 1,6 Millionen Dollar geschätzt. Doch es gibt noch einen zweiten Aspekt der Affäre. "Archaeoraptor" soll nämlich doch glatt aus China heraus geschmuggelt worden sein. Wahrscheinlich stammen die Teile aus der Region um Liaoning im Nordosten Chinas. Dort wurden in der Vergangenheit wichtige Funde aus der Kreidezeit gemacht. Der chinesische Paläontologe Xu Xing vom Institut für die Paläontologie der Wirbeltiere und Paläonthropologie in Peking: "Das ist eine Katastrophe für die Wissenschaft." Genaue Auskünfte über den Ursprung und die "Geschichte" der Fossilien-Reste wurden nicht gegeben. Die chinesischen Stellen wollen "Archaeoraptor" - wenn es ein solcher ist - zurück gestellt wissen. Was Fachleute wie Storrs Olson, Kurator für die Vogel-Abteilung am US National Museum of Natural History in Washington, laut "Nature" weiter schockiert: National Geographic publizierte einen Namen für die wahrscheinliche Medien-Ente, bevor eine Wissenschafts-Zeitschrift mit Kontrolle des Manuskripts durch unabhängige Experten den Fund veröffentlichte. Olson: "Das ist ein Albtraum:" Im Gegenteil: Zunächst hatte "Nature" ein Manuskript von Czerkas zurückgewiesen. Im September vergangenen Jahres tat dies auch die gleich hoch angesehene US-Wissenschaftszeitschrift "Science". Mittlerweile war aber offenbar die Deadline für die Novemberausgabe von "National Geographic" verstrichen. "National Geographic", das den "Fund" im vergangenen November gar in einer Pressekonferenz zum Vermarkten der entsprechenden Ausgabe benutzte, musste sich Anfang Februar 2000 in einer Presseaussendung zu der Affäre äußern. Es bestehe die Möglichkeit, dass es sich bei dem Fossil um "Fabrikat" handeln könnte. Man werde an der Aufklärung der Angelegenheit aktiv mitarbeiten ..: (APA)