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Zahl der Rotlichtsünder in Österreich

Grafik: APA/ M. Schmitt
Big Brother sieht rot: Jede Sekunde werden sechs rote Ampelsignale "überfahren". Überwachungskameras sollen die Rotlichtmoral heben.

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Wien - Schnell noch drüber, zu früh gestartet oder einfach übersehen - rote Ampeln scheinen vor allem für männliche Verkehrsteilnehmer ein rotes Tuch zu sein. Auf jeder der rund 3000 ampelgeregelten Kreuzungen in Österreich wird durchschnittlich alle acht Minuten das Rotlicht missachtet. Oder dramatischer ausgedrückt: Jede Sekunde werden zwischen Boden- und Neusiedler See sechs Rotlichtsünden begangen. Diese Zahlen präsentierte am Mittwoch das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV), das in den vergangenen Wochen in sechs Bundesländern das Ampelverhalten von hunderten Verkehrsteilnehmern unter dokumentiert hat.

Eklatante Rotsünder

Als eklatante Rotsünder erwiesen sich nicht junge Fahrer zwischen 18 und 25 Jahren, die ansonsten als Risikolenker gelten, sondern ältere Autofahrer; und zwar dann, wenn der Berufsverkehr am dichtesten ist. Zeitdruck und Stress erhöhen am ehesten die Bereitschaft, bei Rot schon oder noch aufs Gas zu steigen. Ergo kommt es auch in der meist am Nachmittag herrschenden Verkehrshölle zu den meisten Kreuzungskollisionen.

1200 Unfälle im Vorjahr

Im vergangenen Jahr verunglückten rund 1200 Menschen durch Rotlichtmissachtungen, 120 davon wurden dabei schwer verletzt, sechs Menschen kamen ums Leben. Fußgänger sind besonders gefährdet: Jeder Vierte, der in einen Kreuzungsunfall verwickelt wird, erleidet entweder schwere oder tödliche Verletzungen.

85 Prozent aller Ampelanarchisten sind Männer

85 Prozent aller Ampelanarchisten sind Männer. Fast jeder zehnte davon fährt auch noch über oder in die Kreuzung, wenn die Grünphase schon seit drei bis acht Sekunden beendet ist. Der Großteil aller Haltegebotverstöße wird aber in den ersten beiden Sekunden der Rotphase begangen. Dabei zeige sich, dass vor allem höhere Anfahrtgeschwindigkeiten zu häufigerem Drüberfahren verleite, erklärte KfV-Direktor Otmar Thann. Zur Erinnerung: Schon Gelb heißt eigentlich Stopp, ein Weiterfahren wird aber nicht geahndet, wenn ein sicheres Anhalten nicht mehr möglich ist.

KfV fordert eine effizientere Kontrolle

Das KfV fordert eine effizientere Kontrolle von ampelgeregelten Kreuzungen und höhere Strafen bei Verstößen. Derzeit kommen Rotlichtsünder mit 35 Euro davon, wenn sie von der Polizei erwischt und sofort mit einem Organmandat abgestraft werden. Damit rangiert Österreich gemeinsam mit Tschechien und Slowakei am Ende der europäischen Strafenskala. Im Fall einer Anzeige muss man mit 70 bis 105 Euro rechnen.

Allein die Wiener Polizei erstattete im Vorjahr 6917 derartige Anzeigen, wie Peter Goldgruber von der Sicherheits-und Verkehrspolizeilichen erklärte. Mehr sei aufgrund der beschränkten Personalressourcen kaum möglich. Doch Goldgruber kann auf eine neue Geheimwaffe im Kampf gegen Rotlichtverweigerer verweisen: Traffipax TraffiPhot III.

Überführung von Kreuzungstätern

Dabei handelt es sich um ein neues digitales Kameraonlinesystem zur Überführung von Kreuzungstätern. Die Kamera (Stückpreis: 20.000 Euro) erfasst rund um die Uhr vollautomatisch alle Ampelverstöße, auch wenn für mehrere Fahrspuren unterschiedliche Signale gelten. Das neue Wunderding wird in Kürze in Wien an der Kreuzung Gürtel/ Nussdorfer Straße in Probebetrieb gehen.

Derzeit werden in Österreich 14 Kreuzungen überwacht

Derzeit werden in Österreich mit anderen Kamerasystemen 14 Kreuzungen überwacht. Unter anderem bei der Abzeigung zur Kärntner Touristenattraktion Minimundus, wo es regelmäßig kracht, weil ein Verkehrsteilnehmer die Ampel "übersieht". Seit der Montage der Kamera im Vorjahr sind derartige Unfälle um die Hälfte zurückgegangen. "Das zeigt, dass schon allein das Wissen über eine permanente Überwachung die Rotlichtmissachtungen reduziert", zeigt sich KfV-Chef Thann optimistisch. Er und Goldgruber plädieren für Kameraüberwachungen aller unfallträchtigen Kreuzungen in ganz Österreich. Das Grünblinken, eine Ampelspezialität, die es außer in Österreich weltweit nur noch in Israel gibt, solle vorerst beibehalten werden. (Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe 4.11.2004)