Berlin - Der Plan der rot-grünen deutschen Regierung, als Teil ihres Sparpakets den Tag der Deutschen Einheit als Feiertag abzuschaffen, ist von Politikern aus dem Regierungslager und der Opposition scharf kritisiert worden. Die Union warf Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am Donnerstag Geschichtslosigkeit und mangelnden Patriotismus vor. Auch Gewerkschaften und SPD-Politiker forderten einen Verzicht auf das Vorhaben, von dem sich die Bundesregierung Mehreinnahmen von rund einer halben Milliarde Euro und eine Ankurbelung der Wirtschaftskraft verspricht.

Es müsse eine klare Trennlinie zwischen Sparpolitik und dem Umgang mit der nationalen Geschichte geben, war der Tenor. er Vorwurf der "Geschichtslosigkeit" kam vor allem von der Opposition, aber auch von Politikern der Regierungsparteien und aus Ostdeutschland. Auch der ökonomische Sinn der geplanten Verlegung des Einheitstages auf den ersten Sonntag im Oktober wurde in Frage gestellt.

Merkel: Abwegig

CDU-Chefin Angela Merkel nannte den Vorschlag in Berlin abwegig und forderte Schröder auf, den Plan zu stoppen. "Der Vorschlag, den Tag der deutschen Einheit abzuschaffen, ist geschichtsvergessen und unmittelbar vor dem 15. Jahrestag des Mauerfalls einfach nur beschämend", erklärte Merkel. "Wer den Tag der Einheit aufgibt, gibt einen Kern unserer nationalen Identität auf." CSU-Chef Edmund Stoiber sagte, es gehe um mehr als Ökonomie: Der 3. Oktober sei das wichtigste Symbol für die nationale Identität und den Zusammenhalt der Deutschen. "Die Streichung des 3. Oktober ist geschichtslos und unpatriotisch."

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, sprach ebenfalls von einer Entwertung der Deutschen Einheit. "Wer den Nationalfeiertag generell auf einen Sonntag verlegt, nimmt den historischen Ereignissen der deutschen Einigung seine herausragende Bedeutung." Der 3. Oktober dürfe "erst recht nicht fragwürdigen ökonomischen Theorien untergeordnet" werden. Arbeitszeit- verlängernde Maßnahmen seien der falsche Weg. Sie führten zu keinen nennenswerten Impulsen auf dem Arbeitsmarkt, sagte Sommer.

SP-Kritik

Auch aus der SPD wurde Kritik geübt: Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis sagte dem Berliner "Tagesspiegel", der Nationalfeiertag sei Ausdruck des Geschichtsbewusstseins einer Nation. "Und das würde ich nicht so einfach gegen die schwierige Kassenlage aufwiegen." Auch Ost-Politiker aus der SPD wie der Bundestagsabgeordnete und letzte DDR-Außenminister Markus Meckel nannten die Verlegung des Feiertags einen falschen Umgang mit Tradition und Geschichte. Der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, zweifelte ebenfalls, ob dies das richtige Signal sei.

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) nannte es im NDR völlig abwegig, eine solche Streichung vorzunehmen. "Kein Land in der Welt würde einen solchen nationalen Feiertag aufgeben". Es gehe um das Gedenken an die Deutsche Einheit. Der hessische CDU-Fraktionschef Franz Josef Jung erklärte: "Wer Derartiges plant, dem mangelt es erheblich an Patriotismus." FDP-Chef Guido Westerwelle warf der Regierung Konfliktscheu gegenüber den Gewerkschaften vor. "Die Regierung will den einzigen deutschen nationalen Feiertag abschaffen, um die Auseinandersetzung mit den Gewerkschaftsfunktionären über längere Arbeitszeiten zu vermeiden."

Volkswirte gehen nicht davon aus, dass mit der Streichung die Probleme zu lösen sind. "Das ist eine letzte Maßnahme und wird sicherlich den Standort Deutschland nicht retten oder wesentlich verbessern", sagte Marco Bargel von der Postbank. Selbst den erhofften einmaligen Wachstumseffekt ziehen Ökonomen in Zweifel. "Theoretisch könnte die Arbeit ja auch nur auf den einen zusätzlichen Tag verteilt werden, ohne dass mehr erwirtschaftet wird", sagte Bernd Weidensteiner von der DZ Bank. "Das ist wohl eher eine psychologische Maßnahme, die zeigen soll, dass Deutschland sich doch bewegt und sogar heilige Kühe wie den Nationalfeiertag schlachtet, um alles für mehr Wachstum zu tun."(APA/Reuters/dpa)