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Kreisky und Arafat

foto: apa/jaeger

Aus dem Protokoll des ersten Gespräches zwischen Bundeskanzler Bruno Kreisky und PLO-Chef Yassir Arafat im Sommer 1979 in Wien: "Arafat kann nicht öffentlich und formell erklären, dass die Vernichtung Israels nicht mehr das Ziel der PLO sei. Es sei heute aber eine Tatsache, dass praktisch die gesamte Führung der PLO nicht mehr von der Vernichtung Israels, sondern von der Befreiung besetzter palästinensischer Gebiete spreche. Ein Palästinenserstaat könne nach der Meinung Arafats nur auf der Westbank und im Gazastreifen errichtet werden.

Wenn die PLO einen solchen Staat erhielte, sei Arafat bereit, über alles andere mit Israel zu verhandeln, so insbesondere über die Grenzziehung. Die PLO würde in einem solchen Fall auch ausdrücklich das in Artikel 2, Absatz 4 der UN-Satzung stipulierte Gewaltverbot für sich als verbindlich erklären." Diese handschriftlichen Notizen , die dem Standard von Kreiskys damaligem außenpolitischem Mitarbeiter, dem heutigen Botschafter Georg Lennkh, auszugsweise zur Verfügung gestellt wurde, sind heute, ein Vierteljahrhundert später, beeindruckendes Zeugnis der Bemühungen Kreiskys, die Voraussetzungen für eine Annäherung von Palästinensern und den Israelis zu schaffen. Arafat sollte zu einer Erklärung gebracht werden, die es den Israelis ermöglichte, mit ihm zu reden.

Mit gewissem Erfolg, wie die Gesprächsnotiz zeigt. Allerdings fällt in dem Text auch Arafats Hang zu zweideutigen Formulierungen auf: "Allerdings müsse auch der Staat Israel seine Rolle in der Region definieren. Schließlich liege es nicht an der PLO, eine Erklärung über die Sicherheit Israels abzugeben, das ein militärischer Superstaat sei."

Kreisky traf sich später noch oft mit Arafat und es gab Phasen, in denen er mit ihm fast die Geduld verlor: Er möge doch endlich öffentlich klipp und klar erklären, dass die Palästinenser dem Terror abschwören und Israel anerkennen und nicht dauernd so herumdrucksen. Wie z.B.: Arafats Mitarbeiter und Verbindungsmann zu Kreisky, Issam Sartawi, solle eine Rede mit der Anerkennung Israels halten und Arafat werde ihm nicht widersprechen. Das sei so gut wie eine Anerkennung durch den "Rais" (Führer) selbst. Das war die Natur Arafats. Kreisky bereute es später trotzdem nicht, den Eisbrecher für Arafat in der westlichen Welt gespielt zu haben, obwohl er z.B. vom israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin als "jüdischer Verräter" bezeichnet wurde – und obwohl ein gewisses physisches Risiko damit verbunden war. Verbindungsmann Sartawi wurde von radikalen Palästinensern bei einer Konferenz der Sozialistischen Internationale in Portugal erschossen, als Warnung für Arafat. Als eine Warnung für Kreisky kann der Mord am Wiener SP-Stadtrat und Vorsitzenden der österreichisch-israelischen Gesellschaft, Heinz Nittel, gelten.

Im Interesse Israels

Kreisky war überzeugt, dass es auch im Interesse Israels zu einer Lösung mit den Palästinensern kommen müsse und dass man Terror nicht mit Gegenterror beantworten könne. Seine These war, so Lennkh heute: "Wenn man nicht mit den Extremisten redet, ist der Terror nie zu stoppen." Er hatte aber ursprünglich nicht bei Arafat direkt angesetzt, sondern lernte ihn erst 1974 auf einer Nahostreise in Ägypten kennen – auf ausdrücklichen Wunsch des damaligen ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat. Der Kanzler war damals alles andere als beeindruckt von Arafat, der damals noch einen gemeinsamen jüdisch-christlich-palästinensischen Staat auf dem Territorium des britischen "Mandats-Palästina" und eine Rückkehr aller Flüchtlinge forderte (ein paar Jahre später meinte Arafat, die Rückkehr sei "nicht in allen Fällen wörtlich aufzufassen").

Jedenfalls lud Kreisky Arafat dann im Sommer nach Wien ein, wo die Nord-Süd- Kommission der Sozialistischen Internationale mit Willy Brandt tagte. Das gab einen großen Aufruhr – und das erste der Fotos von überschwänglichen Umarmungen Arafats mit Kreisky, der diese Intimität, noch dazu angesichts des Dreitagebarts von Arafat, nicht schätzte. Auch nach seinem Rücktritt 1983 blieb Kreisky mit dem Palästinenserführer in Kontakt. Trotz etlicher Enttäuschungen blieb er dabei, dass es richtig war, den Revolutionär und Terroristen aus seiner Isolation zu befreien. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5. November 2004)