An Appellen, sogar flehentlichen Bitten an die Adresse Tony Blairs hat es nicht gefehlt, nicht vor und nicht nach der Wiederwahl George Bushs. Er müsse aufhören, dem US-Präsidenten zu dienen wie ein Butler, donnerte vorher der Oxford-Politologe Timothy Garton Ash. Hinterher redete die Labour-Linke Alice Mahon ihrem Premier ins Gewissen, er sei gut beraten, wenn er nicht mehr Bushs Cheerleader spiele, sondern endlich ein paar Meter auf Distanz gehe.

Zumindest nach außen wirkt der Angesprochene so, als nehme er sich die Ratschläge zu Herzen. Kein ausgelassenes Schulterklopfen, keine demonstrativen Treueschwüre – nach dem Wahlsieg seines engsten Verbündeten trat Blair auf wie ein Mahner. Der Friedensprozess in Nahost müsse schnellstens wiederbelebt werden, forderte er. Dies sei die "dringendste politische Herausforderung in unserer Welt", unverzichtbar, um den Kampf gegen den Terror zu gewinnen. Die Europäer sollten gemeinsam mit Bush daran arbeiten, so Blair.

Im selben Tonfall dämpfte Außenminister Jack Straw Befürchtungen, dass Washington nun den Iran ins Fadenkreuz nimmt. "Ich sehe keine Umstände, unter denen eine Militäraktion gegen Iran gerechtfertigt wäre, und damit Punkt", sagte er am Donnerstag der BBC. Gemeinsam mit Berlin und Paris hat London die iranische Regierung gedrängt, ihr Nuklearprogramm strikter Kontrolle zu unterwerfen. Zwar sind die Briten skeptisch, dass sich Teheran exakt an die Abmachungen hält. Doch ebenso wie die Internationale Atomenergiebehörde glaube man, das Prob^lem "konstruktiv" lösen zu können, betonte Straw.

So sieht sich Blairs Riege gern: Brücken bauend zwischen dem Weißen Haus und den vergrämten Europäern, dem Staatschef der Supermacht weise Worte ins Ohr flüsternd, nach dem Motto, dass nur flüstern kann, wer ganz dicht neben Bush steht. Genau nach diesem Muster hatte Blair seiner zaudernden Labour Party vor dem Irak- Feldzug den umstrittenen Schulterschluss mit dem Seniorpartner erklärt. Schon damals verlangte er energischere Anstrengungen, um den israelisch-palästinensischen Konflikt endlich zu lösen. Dass die Grenzen britischen Einflusses schnell deutlich wurden, verstärkt heute die Zweifel – auch und vor allem an der Themse.

Katerstimmung

In den Labour-Reihen herrscht Katerstimmung. Die meisten dort hatten, anders als der Parteichef, auf John Kerry gesetzt. Denn die Bush-kritische Stimmung auf der Insel könnte sich beim Parlamentsvotum im Frühjahr als Hypothek für Labour erweisen, jedenfalls dann, wenn sich nichts ändert am bisherigen Bild: Blair, der treue Vasall, der zwar reden darf, aber nicht mitentscheiden.

Hoffentlich gehe Bush II sensibler mit alten Alliierten um, formuliert Liberalen-Chef Charles Kennedy einen Wunsch, der sich quer durch alle Parteien zieht. Clare Short, einst Entwicklungshilfeministerin, im Zuge des Irakkriegs verbittert zurückgetreten, glaubt indes nicht an Besserung. Ihre Prognose für die nächsten vier Jahre: "eine schlechte Zeit für die Welt". (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 5.11.2004)